Was tut man als Titelkandidat, wenn die Meisterschaft mangels Ausrichter auszufallen droht? Man veranstaltet sie eben selbst! Zumindest so ähnlich kam es dazu, dass die Deutsche Schulschachmeisterschaft in der Wettkampfgruppe für Mädchen relativ kurzfristig in Murrhardt ausgetragen wurde. Als Organisator galt die Schach-AG des Solitude-Gymnasiums in Stuttgart-Weilimdorf. Verantwortlich war also unsere Jugendleiterin und Schach-AG-Leiterin Gabriele Häcker, unterstützt insbesondere von Johannes Bay, dem Spielleiter der Württembergischen Schachjugend und Aktivposten des SC Murrhardt. Er buchte die Jugendherberge, machte den Abholdienst vom Bahnhof und organisierte weitere Helfer aus seinem Verein. Für die Deutsche Schachjugend war Rainer Niermann als Schiedsrichter vor Ort.
Dass sowohl der sportliche, als auch der organisatorische Teil völlig harmonisch und unkompliziert über die Bühne ging, lag aber auch an den hilfsbereiten Betreuern und Spielerinnen, die beim Aufräumen mithalfen und sich auch sonst durch fairen Umgang ohne übertriebenen Ehrgeiz auszeichneten. Abgerundet wurde die Meisterschaft durch das überwiegend schöne Wetter. Einige Teilnehmer ließen sich anlässlich des Murrhardter Marktes von einem Nachtwächter in historischem Kostüm die Stadt zeigen. Die Jugendherberge bot mit Tischtennisplatten, Sportplatz und sogar einem Freilandschach (das zum Ausgleichssport(?!) stark benutzt wurde!) genügend Abwechslung. Außerdem verlieh die Turnierleitung Gesellschaftsspiele und am Samstagabend gab es gute Beteiligung beim „Sing Star“.
Im Mittelpunkt stand aber doch der schachliche Teil. Das Solitude-Gymnasium ist seit mehreren Jahren regelmäßig bei der DSSM der Mädchen vertreten und hat manche gute Platzierungen geholt. Im Team stehen stets Spielerinnen aus unserem Verein und auch diesmal war Andrea Mijatovic, Nadine Stitterich, Katrin Häcker und Katrin Hafner durchaus zuzutrauen, um den Titel mitzuspielen.
Im Vergleich zu den letzten Jahren war die Meisterschaft diesmal allerdings überraschenderweise recht schwach besetzt, sodass das Weilimdorfer Team unter den 16 Schulen als hoher Favorit startete. An den ersten Brettern saßen zwar teilweise bekannte Spielerinnen von Deutschen Jugendmeisterschaften, doch ganz überwiegend bestanden die Teams aus eher unerfahrenen, oft Nichtvereins-Spielerinnen, was allerdings wiederum die Berechtigung für eine Deutsche Schulschachmeisterschaft unterstreicht.
Leiden musste daher mehrfach das Bulletinteam (das alle Partien erfasste), da irreguläre Züge keine Seltenheit waren…
Das Solitude-Team wurde seiner Favoritenrolle nach den 7 Runden voll gerecht. Zwar waren einige Partien – auch aufgrund der Bedenkzeit von einer Stunde pro Spielerin – durchaus umkämpft und wechselhaft, aber am Ende setzte sich meist die größere Routine gegenüber den Gegnerinnen durch. Etwas heikel waren die Runden 2 und 3, als Katrin Hafner pausieren musste, weil sie in unserer 1.Jugendmannschaft in der Baden-Württembergischen Jugendliga gebraucht wurde. Zum Einsatz kam währenddessen unsere Nachwuchsspielerin Tamara Zacke, die sich zwar ordentlich schlug, aber doch das Nachsehen hatte. Die anderen drei gaben sich jedoch keine Blöße.
Die einzige weitere Niederlage im Turnier für die Solitude-Mädchen gab es ebenfalls an Brett 4 im Kampf gegen die nominell zweitstärkste Mannschaft des Johann-Schöner-Gymnasiums Karlstadt, als Katrin Hafner am Ende auf Zeit verlor. Weil sich Andrea in diesem Kampf ihr einziges Remis leistete, war der 2,5:1,5-Sieg der knappste im Turnier.
Insgesamt gab das Solitude-Gymnasium in 28 Partien nur 3,5 Brettpunkte ab und sicherte sich mit 4 Mannschaftspunkten Vorsprung zum ersten Mal den Titel des Deutschen Schulschach-Meisters. Für unsere Mädchen ist das nach dem Gewinn der Deutschen Vereinsmeisterschaft U20w im Dezember 2007 – in etwas anderer Besetzung – ein weiterer schöner Erfolg.
Andrea hatte an Brett 1 sehr ordentliche Gegner, sodass ihre 6,5 Punkte aus den 7 Runden ein starkes Ergebnis sind. Nadine und Katrin Häcker gewannen alle ihre Partien, wofür die drei mit Brettpreisen ausgezeichnet wurden.
Dieser deutliche Abstand kam aber erst gegen Ende des Turniers zustande. In der ersten Hälfte zeigte sich die 1.Mannschaft des Athenaeum Stade als hartnäckigster Verfolger und war nach dem knappen Sieg gegen Karlstadt in Runde 3 sogar mit einem halben Brettpunkt Vorsprung vor Stuttgart Tabellenführer. Doch in den letzten Runden gaben die Verfolgerteams allesamt auch gegeneinander Punkte ab. Der Kampf um die Vizemeisterschaft wurde daher sehr spannend, weil sich bis zuletzt mehrere Mannschaften Hoffnungen machen konnten.
Vor der 7.Runde lag die Märkische Schule Wattenscheid (9:3) mit einem Punkt Vorsprung auf Platz 2, den sie gegen Karlstadt (7:5) verteidigen musste. Mit jeweils 8:4 Punkten rangierten dazwischen das Mallinckrodt-Gymnasium Dortmund, das Max-Planck-Gymnasium Rüsselsheim sowie Stade. Rüsselsheim hatte allerdings mit Stuttgart das schwerste Los gezogen und fiel daher auch zurück.
Karlstadt setzte sich knapp mit 2,5:1,5 gegen Wattenscheid durch und überholte diese damit. Für den 2.Platz konnte es aber nur reichen, wenn sich Dortmund und Stade unentschieden getrennt hätten. Für Stade setzte sich aber die unglückliche zweite Turnierhälfte mit einer 1:3-Niederlage fort.
Deutscher Vizemeister wurde dadurch das Mallinckrodt-Gymnasium Dortmund, das ebenso wie Wattenscheid, aber im Unterschied zu den anderen Topteams ohne echte Spitzenspielerin, dafür in sehr ausgeglichener Besetzung antrat. Die Dortmunderin Ina Brandt sicherte sich auch den Brettpreis an Brett 4.
Platz 3 blieb für das Johann-Schöner-Gymnasiums Karlstadt, knapp vor Wattenscheid. Auf Rang 5 landete das Gymnasium Kenzingen, dass sich seinen ersten 4:0-Sieg für die letzten Runde aufgehoben hatte und dadurch einen Sprung nach vorne machte.
Erwähnenswert ist, dass Athenaeum Stade noch eine 2.Mannschaft ins Rennen schickte, die mit Platz 12 ganz ordentlich abschnitt. Bemerkenswert ist außerdem die Teilnahme der GS Pestalozzi Leegebruch als einziger Grundschule mit immerhin 4 Mannschaftspunkten.
Für das nächste Jahr besteht übrigens eine gute Chance, dass die im ersten Satz erwähnte Situation nicht wieder eintritt, denn das Einstein-Gymnasium Neubrandenburg hat die Ausrichtung in Aussicht gestellt.
Auf unserer Sonderseite gibt es alle Ergebnisse der Meisterschaft sowie u.a. einige Bilder.
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