SV Stuttgart Wolfbusch 1956 e.V.
Der Schachverein für Jung und Alt!
Unsere U20-Mädchen sind Deutscher (Rekord-) Meister
Jugend

Seit rund 20 Jahren sind wir in verschiedenen Altersklassen regelmäßig bei den Deutschen Vereinsmeisterschaften (DVM) vertreten, die traditionell zwischen Weihnachten und Silvester ausgespielt werden; besonders erfolgreich waren dabei in den letzten rund 10 Jahren unsere Mädels in der U20. Nach Meistertiteln 2007 und von 2009 bis 2011 trat zuletzt 2015 die "nächste Generation" an mit dem Ziel, einige Jahre zusammenspielen zu können (was altersbedingt so bis 2018 möglich gewesen wäre). Dazu kam es anschließend aber leider nicht, sodass wir durch unseren Neuzugang Zhuoling Li - die schon in der 2.Frauen-Bundesliga für Furore sorgte - erst in diesem Jahr wieder eine (sogar sehr schlagkräftige) Mannschaft an den Start bringen konnten. Unterstützt wurden wir wie bei unserem letzten Titel wieder von Dirk Maxion.

Wie schon 2015 besetzten Jacqueline Kobald und Anna Liu die Bretter 3 und 4 hinter Zhuoling und Sabrina Ley, die als Gastspielerin vom SV Turm Lahnstein (RLP) in der zweiten Saison für uns antritt. Austragungsort der DVM U20w war wie meist in den letzten Jahren Osnabrück und brachte daher angenehme Erinnerungen an 2011 und 2015 mit sich. Ziel unseres inzwischen recht erfahrenen Teams war ein Treppchenplatz. Etwas überraschend waren wir sogar an Rang 1 gesetzt, nominell allerdings nahezu gleichauf mit der SG Solingen (NRW) und TuRa Harksheide Norderstedt (Schleswig-Holstein), letztere Deutsche Meister von 2015. Auch dahinter folgte ein recht dichtes Feld, sodass die Konkurrenz bis Anfang der zweiten Hälfte der 12 Teams unbedingt ernst zu nehmen war.

Das galt ohne Zweifel auch schon für die 1.Runde gegen Muldental Wilkau-Haßlau (Sachsen), wo wir zwar an den beiden hinteren Brettern deutlich favorisiert waren. Vorne saßen uns aber zwei starke und sehr erfahrene Gegnerinnen gegenüber. Dass die Sache am Ende mit 4:0 trotzdem sehr deutlich wurde, lag an der durchweg sehr konzentrierten und entschlossenen Leistung unseres Quartetts. Dass es die Favoriten aber keineswegs leicht haben würden, zeigte die knappe Niederlage von Harksheide gegen den SC Bavaria Regensburg.

Deutlich enger wurde es schon in Runde 2 gegen den Düsseldorfer SK. Hier stand Zhuoling zwar mit Mehrbauer schon früh klar besser, an allen anderen Brettern sprangen aber keinerlei Vorteile heraus. Im Vertrauen auf unsere Spitzenspielerin wurde letztlich überall Remis vereinbart. Das Vertrauen war glücklicherweise berechtigt, denn obwohl es sich bei dem Mehr- um einen Doppelbauern im reinen Damenendspiel handelte, verwertete Zhuoling diesen Vorteil letztlich routiniert zum 2,5:1,5-Erfolg. Derweil ließ Solingen als zweiter Topfavorit mit einem 1:3 gegen den SC Borussia Lichtenberg aus Berlin ebenfalls schon Punkte liegen.

Eine interessante Paarung erwartete uns am nächsten Morgen in Runde 3 gegen den (späteren Deutschen Vizemeister) SV Lingen (Niedersachsen). Deren zweites Brett Madita Mönster lag am ersten Tag krank im Hotelzimmer, was ihre Kolleginnen aber nicht daran hinderte, zweimal 3:1 zu gewinnen. Davon gewarnt mussten wir uns jetzt sogar mit vier Lingenerinnen herumschlagen... Die Begegnung war dann auch hart umkämpft und schwankte an einigen Brettern. Anna verlor in der Eröffnung unnötig einen Bauern und bekam dafür nur diffuse Angriffsaussichten. Jacky versäumte einen Bauerngewinn und stellte später selbst Bauern und Partie ein, als sie eine Variante nicht weit genug berechnete. Zhuoling gewann zwar eine Qualität, musste dafür aber eine geschwächte Königsstellung und gegnerische Angriffschancen in Kauf nehmen.

Die entscheidende Wendung ergab sich, als Anna doch einen siegbringenden Königsangriff starten konnte. Zhuolings Gegnerin setzte nicht energisch genug fort, sodass Zhuoling die Initiative übernehmen und abschließen konnte. Nach dieser 2:1-Führung konnte Sabrina nach starker Partie und mit (schwer zu verwertendem) Mehrbauern Remis machen.

Gewarnt waren wir direkt anschließend in Runde 4 gegen Lichtenberg, die auch Harksheide einen Mannschaftspunkt abgenommen hatten. Der Verlauf war aber einigermaßen nervenschonend. Zhuoling gewann relativ glatt gegen die sonst sehr starke Paula Wiesner. Sabrina krönte ihre Partie mit einem kleinen Opferangriff. Anna widerlegte ein Figurenopfer ihrer Gegnerin im Endspiel. Nur Jacky haderte mit sich, weil sie mit ein bis zwei Mehrbauern versehentlich eine Stellungswiederholung zuließ. Das war angesichts des 3,5:0,5 aber zu verschmerzen.

Die vorentscheidenden Begegnungen ergaben sich am nächsten Tag, nachdem wir (8:0) nun mit weißer Weste bereits Vorsprung vor Solingen (6:2) und Harksheide (5:3) hatten. Vor allem gegen Solingen wurde es in der 5.Runde eine Zitterpartie mit offenem Ausgang. Jacky verhaspelte sich in der Eröffnung und hatte Glück, dass die Gegnerin den falschen Widerlegungsversuch wählte. Anna spielte zunächst stark und stand überlegen, rückte dann aber ihre Bauern zu unvorsichtig vor und landete mit einem weniger im Endspiel. Ähnlich lief es bei Sabrina, die in überlegener Stellung unnötig riskant lang rochierte und dadurch Gegenchancen einräumte. Zhuoling spielte wie immer souverän, hatte aber zunächst nichts Greifbares. Als sich bei Sabrina und Anna Niederlagen abzeichneten, stellte Zhuolings Gegnerin allerdings einen Bauern ein, woraufhin ihre Stellung ziemlich schnell zusammenbrach. Beim Stand von 1:2 konnte Jacky das Unentschieden retten, indem sie - nach der Eröffnung - eine starke Partie spielte und schließlich mit drei Leichtfiguren für einen Turm das Endspiel sauber verwertete.

Damit konnten wir immerhin den 2-Punkte-Vorsprung auf Solingen und Harksheide halten, wobei es nachmittags in Runde 6 gegen letztere ging. Psychologisch war für uns möglicherweise von Vorteil, dass wir selbst bei einer knappen Niederlage wohl nach Wertung in Führung geblieben wären und dann die vermeintlich stärksten Gegner schon hinter uns gehabt hätten.
Allerdings erwischten wir einen denkbar schlechten Auftakt, denn Sabrina stellte früh eine Figur ein. Davon nicht genug, wickelte Jacky aus guter Stellung unnötig kompliziert und unklar ab. Zhuoling stand zwar gut, aber es war lange nicht zu sehen, wie die solide gegnerische Stellung zu knacken sein soll. Anna stand zunächst optisch angenehmer, fand aber keinen guten Plan und geriet in die Defensive. Trotzdem musste sie wegen des Gesamtstandes das gegnerische Remisgebot ablehnen.

Nach und nach setzte sich allerdings die wohl etwas größere Routine unserer Mädels durch. Jacky wusste mit der merkwürdigen Stellung deutlich mehr anzufangen als ihre Gegnerin und konnte schließlich eindringen und entscheidendes Material gewinnen. Zhuoling spielte abermals sehr präzise und weitsichtig und krönte ihren Königsangriff mit einem Damenopfer. Anna gab einen Bauern für Gegenspiel und konnte nach spektakulärer Königsjagd ebenfalls mattsetzen.

Da Solingen zeitgleich gegen Lingen verlor, lagen wir nach diesem 3:1-Erfolg bereits uneinholbar in Führung und waren eine Runde vor Schluss Deutscher Meister! Nach der lustigen Idee des Veranstalters, am letzten Abend eine Pressekonferenz der drei führenden Vereine abzuhalten, ging es anschließend aber natürlich wie üblich zur Vorbereitung.
Die 7.Runde gegen SC Bavaria Regensburg endete mit 3,5:0,5 leider unnötig dramatisch. Anna war nach zwischenzeitlicher Gewinnstellung mit ihrem Remis zu Recht unzufrieden. Tragisch lief es bei Sabrina, die ihr Springerendspiel überzogen hatte und mit zwei Minusbauern da stand. Kurz bevor sie auf dreimalige Stellungswiederholung reklamieren konnte, ließ jedoch ihre Gegnerin die Zeit fallen - ein unnötiger Sieg zum Abschluss, den vor allem Sabrina so nicht haben wollte.

Danach war die Freude aber natürlich groß, schließlich ist es für alle vier der erste Deutsche Meistertitel. Entscheidenden Anteil daran hat vor allem Zhuoling mit sagenhaften 7 aus 7 am Spitzenbrett und durchweg sehr inhaltsreichen und teils hochklassigen Partien. Für sie (die vor genau zehn Jahren Vize-Weltmeisterin der U10 war!) war es leider altersbedingt die letzte U20-Meisterschaft. Aber auch die anderen drei zeigten durchweg konzentrierte und kämpferisch starke Leistungen und glichen einzelne Schwächephasen untereinander gegenseitig aus.
Mit unserem fünften Titel bei der 1991 eingeführten DVM U20w sind wir nun sogar alleiniger Rekordmeister vor den SF Brackel aus Dortmund (4 Titel: 1999-2002) und dem SC Leipzig-Gohlis (3 Titel: 1994, 2005, 2006) und dem USV Halle (3 Titel: 1992, 1993, 1995).

Ergebnisse, Partien und weitere Infos gibt es auf den Turnierseiten der Deutschen Schachjugend und des Ausrichters Hagener SV.
Ergebnisse mit dem Bild unseres Teams gibt es auch in der Übersicht des Deutschen Schachbundes sowie auf der Titelseite des Newsletter Württemberg - Jacky landete dort schon zum zweiten Mal in Folge, zuvor als WM-Teilnehmerin bzw. Nebensitzerin der Weltmeisterin...






v.l.n.r.: Jacky, Anna, Alexander, Sabrina, Zhuoling


Erstellt von AlexH am 03.01.2019 14:12