Vor zwei Jahren im Dezember 2007 fuhr unser U20-Mädchenteam bei der Deutschen Vereinsmeisterschaft in Stuttgart den allerersten Deutschen Meistertitel für unseren Verein ein. Nach der chaotischen Meisterschaft im Jahr darauf lautete nun unser Ziel, bei der DVM in Chemnitz zwischen Weihnachten und Silvester diesen Titel zurückzuholen, wobei die Rahmenbedingungen auch gleich wesentlich erfreulicher waren. 2008 hatte die DVM U20w ihren Tiefpunkt erreicht, sowohl was das Niveau angeht, als besonders auch die Teilnehmerzahl bei gerade einmal 9 Teams. Daraufhin wurde nun die Qualifikation abgeschafft und die Meisterschaft geöffnet, was direkt Wirkung zeigte. Mit 14 Mannschaften gab es einen deutlichen Aufschwung und auch die Qualität an der Spitze stieg wieder an.
Parallel zur Mädchenmeisterschaft fand auch die DVM U20 (männlich) in Chemnitz statt, wo Unterkunft und Spielsaal in einem Hotel mit deutlich gehobenem Standard hervorragende Spielbedingungen boten. Auch der Ausrichter war stets bemüht und veranstaltete beispielsweise einen Abend in der Eissporthalle mit kostenlosem Programm und Verpflegung.
Unsere An- und Abreise mit dem bewährten ELDI-Bus lief völlig reibungslos und sorgte für einen entspannten Start ins Turnier. Gespielt wurden 7 Runden mit der mittlerweile üblichen Bedenkzeit von 90 Minuten für 40 Züge plus weitere 30 Minuten bei zusätzlicher Zugabe von 30 Sekunden für jeden Zug von Beginn an.
Unsere Mannschaft trat in der Aufstellung Larissa Erben, Gastspielerin Nigora Djalalova (SF Pfullingen), Nadine Stitterich, Andrea Mijatovic an. Larissa und Andrea waren schon bei unserem Sieg 2007 dabei, wobei Andrea letztes Jahr wegen ihres Auslandaufenthaltes leider ausgefallen war. Nadine spielte 2007 in unserem U16-Team bei der DVM. Sie war zwischenzeitlich schon mit der Schulschachmannschaft und der Württembergischen Jugendauswahl Deutscher Meister geworden, aber noch nicht für unseren Verein. Auch Nigora war schon bei der DVM vor zwei Jahren dabei – spielte damals aber noch gegen uns! Mittlerweile ist sie aus NRW ins Ländle gezogen und seit der letzten Saison als Gastspielerin für unsere Frauen-Bundesligamannschaft im Einsatz.
Damit hatten wir nominell unsere stärkste Mädchenmannschaft aller Zeiten am Start – und standen in der Setzliste trotzdem nicht ganz vorne! Das Team des TSV Schott Mainz hatte an den beiden Spitzenbrettern mit der mehrfachen Deutschen Einzelmeisterin Anna Endress und Gastspielerin Alisa Frey aus Baden die zwei nominell stärksten Einzelspielerinnen des gesamten Turniers gemeldet. Damit belegten sie in der Setzliste die Spitzenposition und bildeten zusammen mit uns und Titelverteidiger SG Grün-Weiß Dresden, die sich im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls mit einer Gastspielerin verstärkt hatten, das Favoritentrio. Dahinter lauerte die SG Köln-Porz, die uns bereits einmal in der U14w 2005 den Titel weggeschnappt hatte, bevor die übrigen Teams deutlich abfielen.
Die 1.Runde begann mit einem sicheren, aber durchaus mühsamen 3:1-Auftaktsieg gegen den SV Gryps (Mecklenburg-Vorpommern). Nadine und Larissa gewannen recht ungefährdet, aber Andrea tat sich gegen ihre nominell klar unterlegene Gegnerin sehr schwer, bis diese glücklicherweise irgendwann anfing, alles einzustellen. Ganz unglücklich begann die Meisterschaft für Nigora. Sie stellte im Mittelspiel zwei Bauern ein, verteidigte sich danach aber ausgezeichnet und erreichte ein Remisendspiel. Doch dort erlitt sie einen völligen Blackout und schlug einen gegnerischen Bauern nicht, der sich daraufhin umwandelte.
Die größte Überraschung zum Auftakt war, dass die Mainzer Spitzenspielerin Anna Endress kurzfristig erkrankt war und ihr Team daher zu dritt antreten musste. Die Favoriten gewannen danach recht glücklich mit 2,5:1,5.
Auch die Begegnung in Runde 2 gegen SV Empor Berlin war trotz Andreas schnellem Sieg lange Zeit sehr umkämpft, bis schließlich alle unsere Spielerinnen ihre größere Routine ausspielen konnten, was zu einem 4:0-Sieg führte. Im ersten kleinen Favoritenduell siegte Mainz (noch immer zu dritt) mit 3:1 gegen die SG Porz. Damit hatten sich die ersten drei der Setzliste keine Blöße gegeben, sodass nun die vorentscheidenden Begegnungen anstanden.
In Runde 3 ging es direkt gegen Mainz, die trotz anders lautender Gerüchte auch am nächsten Morgen ohne ihre Spitzenspielerin auskommen mussten. Obwohl Larissa dadurch kampflos gewann, sah es erstmal gar nicht gut aus für uns. Nadine hatte gleich in der Eröffnung einen Bauern ohne jede Kompensation verloren, Nigora opferte später einen Bauern, was aber auch keinen voll überzeugenden Eindruck machte, und Andrea geriet in ein schlechtes Endspiel bei gegnerischem Läuferpaar und Freibauern.
Grund zum Aufatmen gab es, als Nigoras Gegnerin eine Abwicklung einleitete, die sie eine Qualität kostete. Endgültig kippte der Kampf aber erst in der Zeitnotphase. Nadine nutzte bei beiderseits nur noch wenigen Minuten für rund ein Dutzend Züge ihre Chance zum Konter, woraufhin ihre Gegnerin den Überblick verlor. Nadine räumte einige Bauern ab und nachdem sie taktisch schlagfertig einen bangen Moment überstanden hatte, erreichte sie ein gewonnenes Endspiel. Partieverläufe dieser Art sollten von ihr in den nächsten Runden noch mehrfach folgen…
Auch Andrea hatte ihrer Gegnerin währenddessen größtmögliche Schwierigkeiten bereitet und wurde dafür schließlich mit einem Remis belohnt. Nur Nigora war am Ende etwas unglücklich, da sie in einem sehr aussichtsreichen Endspiel in eine dreifache Stellungswiederholung lief. Dennoch war vielleicht ihre Partie die ausschlaggebende für die Wende des Kampfes, der also mit 3:1 zu unseren Gunsten endete.
Natürlich kann man darüber spekulieren, ob diese Begegnung oder auch die ganze Meisterschaft anders gelaufen wäre, wenn Anna Endress hier am Brett gesessen hätte. Doch zum einen hätte Larissa in ihrer derzeitigen Form bestimmt für eine völlig offene Partie gesorgt und zum anderen ist das sicherlich kein Umstand, für den wir uns entschuldigen müssten.
Freilich war der Zeitpunkt für diese Begegnung für uns optimal terminiert, denn nachmittags saß die Mainzerin tatsächlich pünktlich zur 4.Runde am Brett. Für uns stand gleich die zweite wichtige Begegnung gegen Titelverteidiger Dresden auf dem Plan. Auch sie begann unerfreulich für uns. Andrea hatte zwar trotz unerwarteter Eröffnung eine gute Stellung erreicht, verlor dann aber völlig den Faden. Zuerst stellte sie einen Bauern ein und ließ dann zu, dass die gegnerischen Figuren eindringen, was zu einer baldigen und unnötigen Niederlage führte. Den Rückstand glich aber Larissa durch eine wahre Glanzpartie aus. Mit Schwarz zog sie den gegnerischen König bei vollem Brett unter Materialopfer bis auf das Feld e5 (!!) und setzte schließlich Matt. Hätte es bei der Meisterschaft einen Preis für die schönste Partie gegeben, wäre das ein guter Kandidat gewesen…
Richtungweisend war nun wieder Nadines Partie, die im Mittelspiel recht bedenklich stand. Allerdings verirrte sich ein gegnerischer Springer in ihre Stellung, wodurch sich die Gegnerin zu einem Figurenopfer gezwungen sah. Danach fand aber auch Nadine nicht die stärkste Fortsetzung, sodass tatsächlich starkes Gegenspiel entstand. Schließlich musste Nadine die Figur zurückgeben, doch ihre Gegnerin lief kurz vor der Zeitkontrolle in eine taktische Falle, die sie erneut eine – diesmal entscheidende – Figur kostete. Bei 2:1-Führung hing es nun von Nigoras Partie ab, ob wir bereits einen wohl vorentscheidenden Zweipunktevorsprung erringen könnten. Sie war im Mittelspiel etwas unter Druck geraten, vor allem aber auch frühzeitig in Zeitnot. Ihren 39.Zug absolvierte Nigora mit noch einer Sekunde auf der Uhr. Das reichte wegen der 30 zusätzlichen Sekunden zwar für die Zeitkontrolle, doch sie verlor dabei einen Bauern, der schließlich auch die Partie kostete.
Durch das 2:2 blieb die Meisterschaft also völlig offen, wobei wir mit dem Unentschieden deutlich besser leben konnten als die zu dem Zeitpunkt sowohl nach Mannschafts- als auch nach Brettpunkten gleichauf liegenden Dresdnerinnen. Denn sie mussten ja nun noch gegen voll besetzte Mainzerinnen antreten.
Runde 5 brachte uns mit der SG Porz nun den vermeintlich letzten ernst zu nehmenden Gegner. Und wir taten auch allemal gut daran, den Gegner ernst zu nehmen! Nigora und Nadine stellten beide schon in der Eröffnung einen Bauern ein, während Larissa allenfalls einen leichten Vorteil vorweisen konnte. In dieser Situation konnte es kaum gelegener kommen, dass Nadines Gegnerin einzügig eine Figur einstellte! Wieder setzte also an ihrem Brett die Wende des Kampfes ein. Doch es wurde noch haarsträubender. Larissa konnte durch passives Spiel ihrer Gegnerin ihren Vorteil nach und nach vergrößern, sodass sich abzeichnete, dass ein zusätzliches Remis ausreichen würde. Dennoch ließ sich Andrea in ausgeglichener Stellung zu einem spekulativen, aber inkorrekten Turmopfer hinreißen. Zu unserem Glück entschied sich die Gegnerin zwischen zwei Königszügen für den falschen, der zu sofortigem Verlust führte, während der andere das Mehrmaterial gesichert hätte. Nachdem auch Larissa gewann, stand es 3:0. Leider gab es wieder kein Happyend für Nigora, die sich schließlich im Endspiel geschlagen geben musste.
Währenddessen gewann Mainz mit 3:1 gegen Dresden, sodass wir nun mit einem Punkt Vorsprung alleiniger Tabellenführer waren und ja eigentlich alle starken Gegner hinter uns hatten.
Doch da wurden Erinnerungen wach an die Meisterschaft von 2007, als wir zum gleichen Zeitpunkt – zwei Runden vor Schluss – bei vermeintlich leichtem Restprogramm sogar drei Punkte Vorsprung hatten, es aber am Ende furchtbar eng wurde. So ein Zitterspiel wollten wir diesmal eigentlich vermeiden, was aber nur eingeschränkt gelang. In der 6.Runde ging es gegen den SK Nordhorn-Blanke (Niedersachsen), der vor zwei Jahren Deutscher Meister in der U14w war. Andrea gewann zwar schnell eine Figur, doch Larissa und Nadine wurden forsch angegriffen. Während Larissa die Lage routiniert im Griff hatte und Gegenspiel einleitete, geriet Nadine ziemlich in Bedrängnis, sodass mit dem Schlimmsten zu rechnen war. Nigora konnte nicht vermeiden, eine völlig ausgeglichene Stellung zuzulassen, sodass es nur auf einen knappen Sieg hindeutete. Doch wie so oft setzte sich halt nach und nach die größere Routine durch. Nigora lehnte ein Remisgebot ab, obwohl die Initiative eher bei ihrer Gegnerin lag. Diese ließ dann aber prompt zu, dass Nigora mit der Dame in die Stellung eindringen und Bauern abräumen konnte. Larissa erzeugte taktische Verwicklungen, die ihr Materialgewinn einbrachten und – fast überflüssig zu erwähnen – Nadine überstand auch diese brenzlige Situation, nachdem ihre Gegnerin nicht den richtigen Weg zur Fortsetzung des Angriffs fand. Das folgende Endspiel war wegen einiger taktischer Feinheiten sehr interessant, wobei Nadine voll auf der Höhe war und nach ein paar Tricks Matt setzte, was das 4:0 sicherte.
Damit reichte in der 7.Runde jeder Sieg gegen den Dortmunder SV, doch richtig souverän funktionierte es wieder nicht. Zunächst lief zwar alles ganz „normal“, unsere hohen Favoritinnen kamen mit Zeitvorteil und zuversichtlichen Stellungen aus der Eröffnung. Andrea konnte auch wieder schnell vorlegen, doch dann stellte Larissa – die ihre sechs Partien zuvor bemerkenswert überzeugend gewonnen hatte – eine glatte Figur ein, nachdem sie schon einen Bauern gewonnen hatte. Zwar gab ihre Gegnerin direkt zwei Figuren für einen Turm zurück, doch Kompensation für die verbliebene Minusqualität gab es nicht. Währenddessen ging es auch an den anderen beiden Brettern nicht richtig voran. Nigora hatte zwar einen Mehrbauern, aber recht gedrückte Stellung und Nadines Partie war schon ziemlich vereinfacht mit allenfalls minimalem Vorteil. Um unnötiges Zittern um den Mannschaftssieg zu vermeiden, ließ sich Larissa mühsam überreden, Remis anzubieten, das dann auch akzeptiert wurde. Damit war der Titel quasi gesichert. Schließlich kamen Nigora und Nadine beide zu vollen Punkten, sodass mit 3,5:0,5 wieder ein deutlicher Sieg herauskam.
Mit 13:1 Mannschaftspunkten landete unser Mädchenteam damit auf Rang 1 vor Mainz (12:2) und Dresden (11:3) und ist zum zweiten Mal Deutscher Meister. Überragend war – wie schon angedeutet, abgesehen von der letzten Runde – Larissa, die an Brett 1 stets einen sehr souveränen Eindruck machte und viel Sicherheit ausstrahlte. Bei ihr musste man sich nie Sorgen machen und konnte stets davon ausgehen, dass sie wusste, was sie tat. Mit ihren 6,5 Punkten (einschließlich dem kampflosen) erzielte sie natürlich auch das beste Ergebnis an Brett 1. Nigora war verständlicherweise mit ihren 3,5 Punkten unzufrieden. Für sie lief es oft sehr unglücklich, wobei sie mehrfach die längste Partie spielte. Aber insbesondere ihr Qualitätsgewinn gegen Mainz gab vielleicht den entscheidenden Ausschlag für die Wende des Kampfes. Nadine hatte wie beschrieben mehrere brenzlige Situationen zu überstehen. Dass sie schließlich alle 7 Partien gewann, lässt sich sicherlich nicht nur mit Glück erklären, sondern vor allem auch mit ihrer stets zuversichtlichen und kämpferischen Einstellung. Andrea erfüllte mit 5,5 Punkten ihre Aufgabe, wobei ihre einzige, vermeidbare Niederlage leider zum einzigen Punktverlust führte.
Unser Dank gilt besonders wieder Dirk Maxion, der gemeinsam mit Alexander Häcker das Team coachte und entscheidend zum Erfolg beigetragen hat.
Für die DVM 2010 fällt Nigora leider altersbedingt aus der Mannschaft, die übrigen drei dürfen aber wieder antreten. Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Titelverteidigung besteht also sicherlich. Aber zuvor gibt es im neuen Jahr natürlich noch eine Menge anderer Höhepunkte.
Alle weiteren Informationen zur DVM findet man bei der Deutschen Schachjugend und auf der Homepage des Ausrichters.
Nachfolgend die Ergebnisse aller württembergischen Mannschaften bei den DVMs:
U20w: 1.Platz SV Wolfbusch (14 Teilnehmer)
U20: 9.Heilbronner SV, 14.SC Tamm (16 TN)
U16: 1.SK Bebenhausen, 4.Heilbronner SV (20 TN)
U14: 8.SG KK Hohentübingen, 19.SV Balingen (20 TN)
U12: 16.SC Widdern, 17.SV Unterkochen (20 TN)
In U14w war wieder kein württembergisches Team am Start.
Das Meisterteam von links: Nigora Djalalova, Andrea Mijatovic, ELDI-Bus, Larissa Erben, Nadine Stitterich
|