Die abschließende Doppelrunde der 1.Frauen-Bundesliga am letzten Wochenende brachte eigentlich keine große Spannung mehr, denn die drei Absteiger standen bereits fest und der OSG Baden-Baden war die Titelverteidigung kaum mehr zu nehmen. Allerdings gab es eine Premiere, denn erstmals fand eine Doppelrunde für alle Mannschaften an einem gemeinsamen Ort statt, was an sich sicherlich eine schöne Idee ist. Die konkrete Art und Weise dieser Austragung in Gladenbach/Hessen durch den Deutschen Schachbund war allerdings noch deutlich verbesserungswürdig. So gab es für die Spielerinnen keinerlei Freigetränke während der Partien, was inzwischen eigentlich absoluter Standard ist. Außerdem fehlten Paarungs- und Ergebnisaushänge, Brettnummern und lesbare Namensschilder. Man darf gespannt sein, wie sich dieses Konzept weiter entwickelt.
Für unser Frauenteam liefen besonders die vorigen beiden Doppelrunden äußerst unerfreulich. Leider mussten wir wegen Umzugsstresses diesmal wieder auf unsere Spitzenspielerin Monika Seps verzichten, die in ihren letzten Turnieren eine deutlich gesteigerte Form zeigte. Es wäre daher recht vermessen zu behaupten, dass unsere Mannschaft ernsthaft auf eine erfolgreiche Abschlussrunde hoffen durfte. Denn immerhin ging es samstags gegen den Hamburger SK, Drittplatzierter sowohl dieser, als auch der letzten Saison. Gegner am Sonntag war der ebenfalls stark besetzte SV Mülheim-Nord.
Doch ausgerechnet jetzt, als der Abstieg bereits feststand, zeigten unsere Mädels doch noch, dass sie für eine Überraschung gut sind.
Geschwächt war unser Team nicht nur durch das Fehlen von Monika, sondern auch von Nadine Stitterich, die sich noch in der wichtigen Phase der Nach-Abitursfeierlichkeiten befindet. Neben den üblichen Stammspielerinnen Katja Jussupow, Sonja Häcker und Larissa Erben wurde die Mannschaft durch Marina Gabriel, Nigora Djalalova und - mit erstem Saisoneinsatz - Franziska Fey komplettiert.
Im Spiel gegen den weitaus größten Schachverein Deutschlands musste Franzi leider etwas ihrer fehlenden Spielpraxis Tribut zollen und kam mit Minusbauer schlecht aus der Eröffnung. Ähnliches gilt für Nigora, die früh viel Bedenzeit verbrauchte.
Aber es gab auch positive Partien. Sonja zeigte sich gut vorbereitet gegen die deutsche Nationalspielerin Marta Michna und erreichte eine aussichtsreiche Stellung. Larissa konnte Bundeskaderspielerin Sarah Hoolt durch einen kleinen Trick einen Bauern abnehmen, wobei die Stellung aber recht unübersichtlich blieb.
Nach knapp drei Stunden musste sich Franzi geschlagen geben und Nigora hatte einen Bauern verloren. Dafür hatte sich Sonja eine richtige Druckstellung aufgebaut und besaß die Möglichkeit, ihre Partie gegen Deutschlands Nummer 2 durch Zugwiederholung zu beenden. Das tat sie nach einigem Überlegen auch, worüber ihre Gegnerin sehr erleichtert war. Damit war die erste kleine Sensation schon geschafft.
Am Spitzenbrett hatte es Katja mit der polnischen Großmeisterin Monika Socko, Nr.18 der Frauen-Weltrangliste, zu tun. Sie hatte in der zweiten Saisonhälfte zu gewohnter Stärke zurückgefunden und zeigte eindrucksvoll, dass sie jeder Gegnerin gefährlich werden kann. Mit Schwarz hielt Katja zunächst gut dagegen und kam beim Übergang ins Endspiel zu Mehrbauer und Vorteil.
Die Partie von Marina Gabriel gegen Kaderspielerin Judith Fuchs bewegte sich trotz eines nominellen, aber bedeutungslosen Minusbauern, stets etwa im Gleichgewicht. Wegen unserer aussichtsreichen Stellungen von Katja und Larissa musste Marinas Gegnerin aber etwas riskieren. Dadurch bekam und nutzte auch Marina die Möglichkeit, durch Zugwiederholung zu remisieren, obwohl in der Schlussstellung möglicherweise sogar eher mehr drin gewesen wäre.
Im weiteren Verlauf vergrößerte Katja ihren Vorteil, gewann weitere Bauern und verwertete gegen ihre prominente Gegnerin souverän zum vollen Punkt. Damit war der Ausgleich zum 2:2 geschafft. Nigora war im Endspiel mit Minusbauer gelandet, das schließlich verloren ging. Somit hing die große Überraschung an Larissa, die im Turmendspiel mit Mehrbauer bzw. gedecktem Freibauer gelandet war. Sie spielte zunächst stark, wählte dann aber eine etwas riskante, wenngleich objektiv völlig korrekte Fortsetzung, die ihrer Gegnerin etwas Gegenspiel und Abtausch einiger Bauern ermöglichte. Schließlich erreichte Larissa eine Gewinnstellung mit zwei verbundenen Freibauern gegen einen gegnerischen, weit vorgerückten Freibauern. Nun passierte aber Larissas einziger Fehler, indem sie einen zweizügigen Gewinn ausließ, wonach sich ein weiteres Bauernpaar tauschte. Dadurch entstand jedenfalls für einen kurzen Moment ein elementares Remisendspiel, doch ihre Gegnerin revanchierte sich mit einem falschen Verteidigungszug. Am Ende dieses Krimis konnte Larissa daher in eine Stellung mit Dame gegen Turm abwickeln, die sie glücklicherweise gewann und den völlig unerwarteten 3:3-Endstand herstellte.
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Nach diesem euphorisierenden Erlebnis begann anderstags auch die Begegnung gegen Mülheim recht aussichtsreich. Franzi gewann einen Bauern und Nigora verleitete durch ihren hohen Zeitverbrauch die Gegnerin zu einem wohl inkorrekten Qualitätsopfer. Dafür geriet Sonja heftig unter Druck, verlor zwei Bauern und stand ziemlich aufgabereif. Doch kurz hintereinander drehten nun einige Partien.
Larissa unterschätzte einen Einschlag in ihre Königsstellung und verlor. Nigora stellte ihre Partie einzügig ein. Franzi verlor erst etwas den Überblick, sodass aus ihrem deutlich besseren Endspiel ein unklares wurde, und ließ dann im 39.Zug ohne Not die Zeit fallen. Damit stand es auf einmal 0:3, wobei besonders die letzten beiden Niederlagen äußerst ärgerlich waren.
Das gilt umso mehr, da der Kampf dennoch keineswegs entschieden war! Denn Sonja hatte zwischenzeitlich nach gegnerischer Unaufmerksamkeit eine glatte Figur gewonnen und landete in einem interessanten Endspiel mit je zwei Türmen sowie Läufer und zwei Bauern gegen fünf Bauern. Marinas Partie lag erneut immer im Bereich des Ausgleichs, doch beim Übergang ins Endspiel kam sie durch aktivere Figuren zu einer gewissen Initiative.
Katja hatte am Spitzenbrett mit Großmeisterin Zoya Schleining erneut eine starke Gegnerin, die tags zuvor immerhin Elisabeth Pähtz geschlagen hatte. Die Stellung war für Außenstehende stets sehr unklar, aber jedenfalls besaß auch Katja völlig intakte Gewinnchancen.
Nach und nach konnten Marina und Sonja ihren Vorteil vergrößern und schließlich beide recht sicher gewinnen. Leider war inzwischen beim Stand von 2:3 abzusehen, dass es bei Katja jedenfalls nicht zum vollen Punkt reichen würde. Sie musste letztendlich mit Springer und zwei Bauern am einen Flügel gegen Läufer und drei Bauern am anderen Flügel ums Remis kämpfen. Heraus kam ein hochklassiges und sehr spannendes Endspiel, das Katja schließlich geradezu studienartig halten konnte. Mit der 2,5:3,5-Niederlage hatte sich unser Team daher sehr teuer verkauft. Doch zweifellos wäre auch hier mehr möglich gewesen, wenn man an die Partien von Nigora und Franzi denkt.
Bemerkenswert ist übrigens, dass Katja und Sonja die beiden längsten Partien der gesamten letzten Runde spielten.
Im Endergebnis landete unser Frauenteam bei 3:19 Punkten auf dem vorletzten Platz. Etwas unschön ist dabei, dass der SV Chemie Guben zur gesamten Doppelrunde nicht antrat, sodass u.a. der TSV Schott Mainz (dadurch 4:18 Punkte) kampflos 6:0 gewann.
Voraussichtlich wird unsere Mannschaft in der nächsten Zweitligasaison ohne große personelle Veränderungen die Chance haben, wieder um den Aufstieg zu kämpfen. Ein großer Teil des Saisonverlaufs verlief zwar ziemlich enttäuschend, da wir trotz vielfach ordentlicher Partien wegen miserabler Chancenverwertung häufig zu hoch verloren haben. Doch diese letzte Doppelrunde zeigt - gerade noch rechtzeitig - deutlich, dass sich auch diese Saison gelohnt hat und wir sehr wohl unsere Daseinsberechtigung in der 1.Liga hatten. Mit anderen Worten: Bis zum nächsten Mal!
1.Frauen-Bundesliga, 10.Spieltag:
SV Wolfbusch - Hamburger SK 3:3
Jussupow, Katja - Socko,Monika 1:0
Häcker, Sonja - Michna,Marta ½:½
Erben, Larissa - Hoolt,Sarah 1:0
Gabriel, Marina - Fuchs,Judith ½:½
Djalalova, Nigora - Dolgova,Olga 0:1
Fey, Franziska - Schmidt,Jade 0:1
11.Spieltag: Endstand
SV Mülheim-Nord - SV Wolfbusch 3,5:2,5
Schleining, Zoya - Jussupow, Katja ½:½
Vovk, Oksana - Häcker, Sonja 0:1
Vogel, Heike - Erben, Larissa 1:0
Zhang, Fan - Gabriel, Marina 0:1
Sokalska, Viktorija - Djalalova, Nigora 1:0
Butschek, Tanja - Fey, Franziska 1:0
V.l.n.r.: Nigora, Sonja, Katja, Franzi, Larissa, Marina
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