Für die Deutschen Jugendmeisterschaften in Oberhof/Thüringen hatten sich von unserem Verein mit Nadine Stitterich (U18w) und Jacqueline Kobald (U10w) zwei Teilnehmerinnen qualifiziert. Für Nadine war es altersbedingt die letzte Meisterschaft, während Jacqueline noch ganz am Anfang ihrer Turnierkarriere steht und im nächsten Jahr sogar noch einmal in der U10 starten darf. Nadine ging von Setzplatz 5 ins Turnier und hatte sich natürlich zum Abschluss einiges vorgenommen.
Die Meisterschaft begann für sie optimal. In den ersten beiden Runden gewann Nadine relativ problemlos gegen zwei schwächere Spielerinnen. Anschließend kam es zur Begegnung mit der Drittplatzierten des Vorjahres, Thuy Nguyen Minh (Sachsen), gegen die Nadine bei der letztjährigen Meisterschaft trotz Gewinnstellung verloren hatte. Diesmal glückte die Revanche, wobei sich Nadine wieder recht souverän nach langer Theorievariante durchsetzte.
Weil inzwischen die Mehrzahl der Mitfavoritinnen bereits überraschende Punkte abgegeben hatte, wurde Nadine in Runde 4 wieder eine Außenseiterin zugelost, gegen die ihr der vierte Sieg in Folge gelangt.
Ein solch perfekter Auftakt war Nadine bei einer Deutschen Einzelmeisterschaft bei weitem noch nie gelungen und nun lag sie mit einem halben Zähler Vorsprung auf die Turnierfavoritin Julia Bochis (Baden) allein in Führung. Vor dieser Spitzenbegegnung passierte nun aber leider ein folgenschweres Missgeschick. Bei der Vorbereitung auf die Partie ging man nämlich von anderer Farbverteilung aus, als später tatsächlich ausgelost wurde. Als der Fehler auffiel blieb nur noch wenig Zeit für die richtige Vorbereitung. Prompt unterlief Nadine schon in der Eröffnung eine Ungenauigkeit, wonach sie früh in die Defensive geriet. Zwar konnte sie sich in ein Doppelturmendspiel mit Minusbauer retten, das aber schließlich nicht zu halten war.
Trotz dieses Rückschlags blieb Nadine auf Rang 2, doch von nun an lief es leider nicht mehr so flüssig. In Runde 6 kam sie gegen Carina Dorn (Niedersachsen) in der Eröffnung in eine aussichtsreiche Stellung, ließ dann aber unnötig Damentausch zu, wonach die Partie schnell zum Remis verflachte.
Anschließend musste Nadine gegen die Überraschungsspielerin des Turniers, Alina Sancar (Hessen) antreten. Nach einem Fehler im frühen Mittelspiel stand sie zunächst schlecht, überspielte ihre Gegnerin aber nach und nach. Schließlich wickelte sie in ein Endspiel mit zwei Mehrbauern, aber ungleichfarbigen Läufern ab. Hier bot sich kurzzeitig die Chance zum Gewinn, doch ansonsten war das Endspiel wohl tatsächlich remis. Leider ging Nadine an dieser Möglichkeit vorbei und am Ende fehlte nach 80 Zügen ein Tempo zum Sieg. Ein ärgerliches Unentschieden.
In der Tabelle hatten inzwischen natürlich die anderen Mitfavoritinnen aufgeholt. In Führung lag nun Thuy Nguyen Minh (nach Sieg gegen Julia Bochis) mit 5,5 aus 7 vor vier Spielerinnen mit 5 Zählern. Alles war wieder offen. Nadine wurde zwar nach unten gelost, bekam aber mit der Viertgesetzten Saskia Stark (Sachsen) eine der stärksten Gegnerinnen. Trotz der kleinen Schwächephase ging Nadine sehr entschlossen in die Partie, die hochdramatisch verlief. Nach einer gegnerischen Ungenauigkeit opferte sie eine Figur und bekam sehr starken Angriff. Aufgrund der Vielzahl aussichtsreicher Möglichkeiten verpasste sie leider zunächst den siegreichen Abschluss und brachte sogar noch ein weiteres Figurenopfer, das ebenfalls korrekt war.
Anschließend gab sich Nadine aber zu schnell mit dem Gewinn der Dame für einen Turm zufrieden, wonach sich das Blatt wendete. Denn ihre Gegnerin hatte genügend materielle Kompensation und nun geriet Nadines eigener König unter Beschuss. Die Spannung kam zum Höhepunkt, als ihre Gegnerin in Zeitnot vierzügig mattsetzen konnte, aber stattdessen einen Turm einstellte. So gewann Nadine letztlich noch sehr glücklich, doch dieses Glück hatte sie sich durch das mutige Spiel wahrlich verdient.
Vor der letzten Runde lag Nadine mit 6 aus 8 punktgleich mit Julia Bochis und der Zweitgesetzten Anja Schulz (Sachsen) in Führung. Letztere war mit 3 aus 5 recht schlecht gestartet und hatte damit weder gegen Julia, noch gegen Nadine gespielt. Das Losglück meinte es nun leider nicht gut mit Nadine, denn sie musste mit Schwarz gegen Anja antreten, während Julia eine nominell einfache Aufgabe zu lösen hatte.
Nach ausgeglichener Eröffnung spielte Nadine leider nicht energisch genug und verlor. Damit rutschte sie von den Podestplätzen auf Rang 4. Deutsche Meisterin wurde nach Wertung Julia Bochis vor Anja Schulz. Leider hat dieser Endstand den unbefriedigenden Beigeschmack, dass die beiden Erstgesetzten und -platzierten überhaupt nicht gegeneinander gespielt haben.
Wie soll man dieses Ergebnis einordnen? Nach der großartigen ersten Turnierhälfte konnte man sicherlich zu Recht auf einen Platz auf dem Treppchen hoffen, der zur Teilnahme an einer Welt- oder Europameisterschaft berechtigt hätte. Man merkte Nadine auch an, dass sie aus dem Vorjahr gelernt hat, als sie vorrangig an der Last ihrer Rolle als Mitfavoritin gescheitert war. Andererseits gehört immer auch etwas Glück dazu, um ganz vorne zu landen. Für Nadine ist dieser 4.Platz ihr größter Erfolg bei einer Deutschen Einzelmeisterschaft und daher sicherlich ein positiver Abschluss ihrer „Jugendkarriere“.
Jacqueline hingegen spielte ihre erste (und sicherlich nicht letzte) Deutsche Meisterschaft und – wer weiß – vielleicht kann sie einmal in Nadines Fußstapfen treten…
Da die jüngeren Altersklassen 11 Runden spielen, ist das gerade für Kinder extrem anstrengend, die noch nie dabei waren und daher so einen Marathon überhaupt nicht gewohnt sind. Unter diesem Aspekt verblüfft Jacquelines Ergebnis.
Insgesamt lag sie mit ihren 4 Punkten durchaus über den Erwartungen. Überraschend und beeindruckend ist dabei, dass sie in den letzten drei Runden noch zwei Punkte einfuhr. Ihre beste Partie überhaupt spielte sie in der Schlussrunde gegen eine Gegnerin mit 200 DWZ-Punkten mehr, die sie im Turmendspiel leider noch ins Remis entkommen ließ.
Jacqueline zeigte sich stets konzentriert, motiviert und ehrgeizig, was wegen des langen Turniers und der zahlreichen Freizeitangebote keineswegs selbstverständlich ist. In ihren Partien hatte sie oft gute Ideen, verlor aber vor allem am Anfang noch öfters wegen Einstellern, die aber bei ihrem Entwicklungsstand ganz normal sind. Sie steigerte sich im Turnierverlauf und konnte ganz wichtige Erfahrungen sammeln, die sie mit Sicherheit einen großen Schritt nach vorne bringen werden.
Erfolgsmeldungen von den übrigen Württembergern halten sich leider in Grenzen, woran vor allem die letzte Runde schuld ist. Denn in ihr gingen einige Medaillenchancen (siehe Nadine) und gute Platzierungen verloren.
Die beste Leistung – und zwar nicht nur rein wegen der Platzierung – für unseren Verband erzielte Patrick Höglauer (SF Göppingen). Er startete in der U12 unter 94 Kindern von Setzplatz 36(!), blieb mit etwas Glück und Verteidigungsgeschick ungeschlagen und wurde mit 8,5 Punkten sensationell (dieses Wort ist hier ausnahmsweise mal angebracht) Deutscher Vizemeister!
Ein starkes Turnier spielte auch Philipp Wenninger (Heilbronner SV) in der U18. Dort waren drei 13-14-jährige Supertalente aus der „Prinzengruppe“ des Deutschen Schachbundes am Start. Philipp verlor nur gegen Topfavorit Jens Kotainy und „Prinz“ Matthias Blübaum (beide NRW), die auf den Plätzen 2 und 3 landeten. Mit einem Sieg in der Schlussrunde wäre er auf Rang 5 gelandet, nach Remis wurde es mit 5,5 Punkten der 10.Platz.
Daniela Schäfer (SF Deizisau) erwischte als Mitfavoritin in der U16w mit einem Remis aus zwei Partien einen denkbar schlechten Start. Doch sie kämpfte sich wieder gut nach vorne, wurde aber am Ende nicht belohnt. Denn auch aus den letzten beiden Runden sprang nur ein Remis heraus. Ein halber Punkt mehr hätte auch ihr noch zu Platz 5 gereicht.
In der U14 lag Mark Kvetny (SV Altbach) immer im vorderen Mittelfeld und konnte mit einem Sieg in der Schlussrunde Platz 4/5 klarmachen. Eine unnötige Niederlage machte aber einen Strich durch die Rechnung.
In der U10 schnitt erwartungsgemäß der Württembergische Meister Magnus Kuhn (TSV Münchingen) mit 7 aus 11 und Rang 14 am besten ab. Doch auch bei ihm verhinderte eine Niederlage in der Schlussrunde einen einstelligen Tabellenplatz.
Die Ergebnisse der übrigens Württemberger lassen sich der Landesverbands-Übersicht entnehmen. Die Turnierseite bietet auch massenweise Infos zu allen möglichen Aktivitäten rund um die Meisterschaften.
Nadine (links) bei der Siegerehrung
Jacqueline mal nicht am Brett
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