In der vergangenen Woche kämpften in der Stuttgarter Jugendherberge rund 160 Kinder und Jugendliche in fünf Altersklassen um den Titel eines Württembergischen Jugendmeisters sowie die Qualifikation zur Deutschen Jugendmeisterschaft (DJEM) an Pfingsten in Oberhof. Von unserem Verein waren 7 Teilnehmer vor Ort, wovon die Jüngste den größten Erfolg verbuchen konnte. In den Altersklassen U10 und U12 sowie (mangels ausreichender Anzahl weiblicher Teilnehmerinnen) in der U18 spielten Jungen und Mädchen (bei getrennter Wertung) in gemeinsamen Turnieren, bei U14 und U16 gab es eigenständige Meisterschaften. Gespielt wurden jeweils 7 Runden. Abgesehen von den Jungen der U10 und U12 qualifizierte sich jeweils nur der Sieger zur DJEM.
In der U10 gab es einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg des favorisierten Magnus Kuhn (TSV Münchingen), der sich erst in der letzten Runde sein einziges Remis leistete. Auf Rang 2 landete Jens Hoffmann (SC Widdern), der nur gegen den Sieger verlor und ebenso wie der überraschende Drittplatzierte Philipp Staufenberger (SV Reutlingen, 5 Punkte) für die DJEM qualifiziert ist.
Das Wolfbuscher Interesse galt hier natürlich Jacqueline Kobald, die erstmals an einer Württembergischen Meisterschaft teilnahm. Die 9-Jährige ist daher natürlich noch recht unerfahren, zeichnet sich aber durch eine sehr konzentrierte und ruhige Spielweise aus. Da auch unter den drei anderen teilnehmenden Mädchen dieser Altersklasse keine klare Favoritin auszumachen war und ja irgend eine den Titel holen musste, konnte man vorab durchaus fragen: warum nicht Jacqueline?
In Runde 3 gewann sie ihre erste Partie und war danach punktgleich mit zwei anderen Mädchen. Natürlich riskierte Jacqueline auch mal einen Blick auf die Tabelle, ging mit dieser Situation für ihr Alter aber äußerst abgeklärt um. Nach einem Doppelschlag in den Runden 5 und 6 lag sie auf einmal bei starken 50% und hatte vor der Schlussrunde einen ganzen Punkt Vorsprung auf ihre Konkurrentinnen. Dieser hatte auch nach der hart umkämpften Niederlage noch Bestand.
Damit ist Jacqueline nun Württembergische Meisterin U10 und darf in rund sechs Wochen bei der Deutschen Meisterschaft mitspielen! Ein Ergebnis, mit dem vor wenigen Monaten noch keiner gerechnet hätte und das sie selbst erst noch realisieren muss. Dafür herzlichen Glückwunsch!
Bei aller berechtigter Freude darf man aber nicht vergessen, dass es im Hinblick auf die weitere schachliche Entwicklung keinesfalls das Ziel sein darf, (nur) in der Mädchenwertung die Nase vorn zu haben, sondern im Gesamtfeld bei den Jungs mithalten zu können. Wichtig ist daher, dass Jacqueline auch in dieser Hinsicht voll überzeugt hat: Wer beim ersten Auftritt so cool bleibt und mit 3 Punkten nur knapp unter der 50%-Marke landet, hat sich in jeder Hinsicht stark präsentiert. Weiter so!
In der U12 waren für die Jungen vier Qualifikationsplätze zu vergeben, auf die sich eine ganz breite Spitze Hoffnung machen durfte. Dazu gehörte trotz "nur" Setzplatz 10 unter 38 Teilnehmern auch Moritz Dallinger, der in diesem Jahr erstmals in der U12 spielen musste, nachdem er sich 2010 als Dritter in der U10 zur DJEM qualifiziert hatte.
Aus dem Starterfeld stach mit Patrick Höglauer (SF Göppingen, 5,5 Punkte), Tobias Schmidt (SC Tamm, 5,5) und Christian Gheng (SC Leinfelden, 5) jedoch ein Trio leicht heraus, das letztlich auch die Treppchenplätze eroberte. Doch es ging extrem eng zu. Patrick hatte nach vier Siegen hintereinander bereits einen ganzen Zähler Vorsprung, wurde aber nach drei Remisen noch eingeholt und gewann den Titel nur dank Buchholz-Wertung. Diese musste auch über die Qualifikationsplätze entscheiden, da gleich fünf Spieler nur einen halben Punkt hinter den Spitzenreitern lagen.
Nach einem starken Endspurt hatte es auch Moritz in diese Verfolgergruppe geschafft, doch leider hatte er am zweiten Turniertag eine unnötige Doppelnull kassiert, was sich negativ auf seine Wertung auswirkte. Dennoch zeigte sich anschließend bei ihm eine deutliche Weiterentwicklung zu früheren Jahren, da er sich von diesem Rückschlag nicht aus der Ruhe bringen ließ. Er spielte die restlichen Partien sehr konzentriert und kämpfte noch um seine Qualifikationschance. Letztlich reichte es leider "nur" zu Platz 6, was freilich ein sehr gutes Ergebnis ist, zumal die meisten Konkurrenten der Spitzengruppe ein Jahr älter sind. Den vierten Qualifikationsplatz holte sich Adrian Rausch (SV Backnang). Mädchenmeisterin wurde erwartungsgemäß Leia Lederer (SF Ammerbuch, 4 Punkte).
Bei den U14-Jungs gab es den erwartet klaren Sieger mit Mark Kvetny (SV Altbach), der auch auf Deutscher Ebene zu den Spitzenspielern gehört. Er gab zwar ein Remis ab, hatte am Ende aber 1,5 Punkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten.
Für Gregor Zacke war schon die Qualifikation zu dieser Meisterschaft ein großer Erfolg. Die meisten seiner Gegner waren nominell klar favorisiert, dennoch erspielte er sich in zwei Partien eine Gewinnstellung. Bei der Verwertung ließ leider die Konzentration nach, sodass er letztlich auf 1,5 Punkte kam.
Da der "Kampf" um den Titel bei den Jungen so langweilig war, versuchten die Mädchen der U14w offenbar, das zu kompensieren. Klare Favoritinnen waren hier Linda Gaßmann (SC Grunbach) und Sandra Weber (SC Neckarsulm), die beide schon mehrere Deutsche Meisterschaften gespielt haben. Allerdings leisteten sich beide jeweils drei - überwiegend alles andere als ausgekämpfte - Remisen und erzwangen so eine Lotterieentscheidung durch die Buchholzwertung. Hier hatte schließlich Linda mit einem halben Buchholz-Punkt die Nase denkbar knapp vorne.
Eine sehr gute Meisterschaft spielte Sonja Baumann, die nach schleppendem Beginn mit einem Punkt aus drei Partien ganz groß aufspielte. Nach zwei überzeugenden Siegen gelang ihr auch gegen die Turniersiegerin eine starke Partie mit zwischenzeitlichem Mehrbauer. Letztlich verlor Sonja nach der für sie ungewohnt langen Partiedauer von über vier Stunden leider wegen nachlassender Kräfte. Nach erfolgreichem Schlusspunkt hatte sie mit 4 Zählern und Platz 5 unter 12 Teilnehmerinnen ein tolles Ergebnis erreicht.
Agazit-Aida Naizghi war erstmals bei einer Württembergischen Meisterschaft am Start und verkaufte sich dafür sehr gut. Auch gegen sehr erfahrene Kontrahentinnen verlor sie meist nur knapp. Am Ende holte sie mit 1,5 Punkten ein durchaus ordentliches Ergebnis.
Die Altersklasse U16 war die einzige ohne Wolfbuscher Beteiligung. Hier lieferten sich die klaren Favoriten Philipp Kaulich und Danijel Gibicar (beide SK Bebenhausen) lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen, aus dem Philipp mit 6 Punkten und einem halben Zähler Vorsprung als Sieger hervor ging.
Erwartungsgemäß sehr einseitig verlief es dafür in der U16w. Elisa Zeller (SF Göppingen) gewann hier konkurrenzlos alle 7 Partien. Tamara Zacke zeigte spielerisch einige gute Ansätze, kam gegen die überwiegend deutlich erfahrenere Konkurrenz aber leider nur zu einem Sieg.
Große Spannung versprach schließlich die "Königsklasse" U18, wo eine extrem breite Spitze an den Start ging. Ein Drittel(!!) aller Teilnehmer (9 von 27) lag hier im Bereich von 2000 DWZ oder darüber und konnte daher Ansprüche zumindest auf die Treppchenplätze anmelden.
Eine weitere Seltenheit war, dass mit Nadine Stitterich auch eine weibliche Teilnehmerin zu diesem Spitzenfeld gehörte. Sie ist bei den U18-Mädchen bereits für die Deutsche Meisterschaft vorberechtigt und konnte sich daher zu Trainingszwecken für die Jungenkonkurrenz anmelden. Da sich bei den Mädchen leider nur eine (weitere) Spielerin meldete (Jasmin Bauersfeld, SC Weiße Dame Ulm), lief es zwar letztlich aufs Gleiche hinaus, da Mädchen und Jungen zusammenspielten. Dennoch trat Nadine weiterhin in der Jungenwertung an, um ggf. dort um den Titel mitspielen zu können.
Dazu kam es nicht ganz, doch sie konnte die Spitze durchaus aufmischen. Von Setzplatz 8 gestartet erkämpfte sie in den Runden 2 und 3 Remisen gegen Georg Braun (SK Bebenhausen, Setzplatz 1) und Alexander Schäfer (SF Deizisau, Setzplatz 3) und lag nach 4 Runden mit 3 Punkten hervorragend im Rennen. Anschließend unterlief ihr nach zwischenzeitlich besserer Stellung leider eine Niederlage gegen Marcel Bluma (SC Ingersheim). Am Ende erreichte sie mit 4 Punkten den 7.Platz und spielte oft mit die längsten Partien des gesamten Turniers, sodass der Trainingszweck voll erfüllt wurde.
Im Titelkampf sprach zunächst alles für Ulrich Zimmermann (SK Bebenhausen), der nach vier Siegen bereits einen vollen Punkt Vorsprung hatte. Doch wie sich zeigte, bedeutete dies bei der starken Besetzung nichts. In der Doppelrunde am vorletzten Tag kassierte er zwei Niederlagen, wodurch seine Meisterchancen schon beendet waren.
Völlig überraschend ging daher Marcel Bluma (Setzplatz 7) mit einem halben Punkt Vorsprung in die letzte Runde. Jedoch war klar, dass ihm nur ein Sieg reichen würde, um die Führung zu behalten. Sein Gegner, Vorjahressieger Philipp Müller (SC Neckarsulm), hatte damit noch alle Chancen, seinen Titel zu verteidigen. Leider wich die Spannung aber sehr schnell, als Philipp noch in der Eröffnung komplett daneben griff und seine Dame fangen ließ. Ihm blieb daher nichts anderes übrig, als aufzugeben, womit er zugleich auch seinen Titel aus dem Vorjahr übergab.
Die Ergebnisse aller Altersklassen gibt es bei der Württembergischen Schachjugend.
Jacqueline Kobald, Württembergische Meisterin U10w 2011 |