Die diesjährigen Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaften fanden nach 1998 und 1999 wieder in Oberhof/Thüringen statt, nachdem zuletzt siebenmal in Folge Willingen/Hessen der Austragungsort war. Hier gab es leider keine solch riesige Kongresshalle wie in Willingen und auch die Zimmer waren deutlich kleiner, was die Partievorbereitung erschwerte. Insgesamt waren die Bedingungen aber durchaus in Ordnung, was auch an der wirklich professionellen Organisation der Veranstaltung liegt. Was neben dem Schach alles geboten wurde, lässt sich gar nicht aufzählen. Die Turnierseite liefert auch in dieser Hinsicht umfangreiche Informationen.
Mit Blick auf das sportliche Geschehen traut man sich schon fast nicht mehr zu erwähnen, dass es für Württemberg seit unzähligen Jahren keinen Deutschen Einzelmeister mehr gab. Daran konnte auch in diesem Jahr die große 27-köpfige Delegation (plus Trainer und Eltern) nichts ändern.
Überraschenderweise gab es diesmal von Anfang an über alle Altersklassen hinweg eine recht hohe Anzahl von Überraschungen und Favoritenstürzen. So kamen in Runde 1 die vier Erstgesetzten der U14 allesamt nicht über ein Remis hinaus! Auch für die Württembergische Delegation gab es ein wechselhaftes Auf und Ab, wobei neben mehreren guten Platzierungen auch einige Hoffnungen und Erwartungen auf der Strecke blieben. Das lässt sich so auch ungefähr auf die drei Wolfbuscher Teilnehmer übertragen.
Bei den Jüngsten in der U10 hatte sich Moritz Dallinger erstmals für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. Er hatte im letzten Jahr schon sehr erfolgreich am dreitägigen offenen Kinderturnier teilgenommen, doch bei der richtigen Meisterschaft mitzuspielen ist natürlich etwas ganz anderes. Leider konnte Moritz sich im Turnierverlauf über die 11 Runden hinweg nie völlig von der verständlichen Aufregung und Nervosität befreien. Nach seinem unglücklichen Auftakt mit einem Sieg aus den ersten vier Runden war aber schon eine deutliche Steigerung zu spüren, denn aus den folgenden sechs Begegnungen holte Moritz vier Zähler und arbeitete sich so wieder ins Mittelfeld vor. Am Ende blieb er mit seinen 5 Punkten leider knapp unter der 50%-Marke.
Dabei spielte Moritz in weiten Teilen durchaus ansprechende Partien und zeigte dabei vielfach Einfallsreichtum und Mut. Dass nicht mehr Zählbares heraussprang lag daran, dass ihm leider immer wieder Einsteller und Unkonzentriertheiten unterliefen. Es war sicherlich nicht seine letzte Deutsche Meisterschaft und beim nächsten Mal wird Moritz mit den wichtigen Erfahrungen aus der letzten Woche solche Momente bestimmt abstellen können.
Ungleich erfahrener sind unsere beiden Starterinnen Nadine Stitterich und Andrea Mijatovic bei den U18-Mädchen. Beide spielen schon viele Jahre bei Deutschen Meisterschaften mit, sodass bei gutem Verlauf ein vorderer Platz möglich schien. Besonders Nadine, die im letzten Jahr eine steile Entwicklung hingelegt hat, war an Rang 3 gesetzt und hatte natürlich Ambitionen auf eine entsprechende Platzierung. Doch diese erstmalige Rolle als Mitfavoritin hinderte sie wohl letztlich auch daran, frei aufzuspielen.
In Runde 1 waren beide Mädchen deutlich favorisiert, aber während Andrea ihre Aufgabe bewältigte, musste sich Nadine nach wenig überzeugender Leistung prompt geschlagen geben. Immerhin war ihre Gegnerin Tiffany Kinzel (Thüringen) als spätere Sechstplatzierte auch am Ende die absolute Überraschungsspielerin des Turniers.
Richtig interessant wurde es gleich in der 2.Runde. Andrea durfte am Spitzenbrett gegen die klare Titelfavoritin Anna Endress (Rheinland-Pfalz) antreten, während Nadine mit Chantal Voss (ebenfalls Rheinland-Pfalz) alles andere als eine Aufbaugegnerin bekam. Andrea erreichte im Mittelspiel eine vorteilhafte Stellung, ließ dann aber Vereinfachungen zu, wodurch die Favoritin die Initiative übernahm. Ausschlaggebend für Andreas Niederlage war schließlich aber ein einziger unvorsichtiger Zug. Ansonsten wäre eine sehr remisträchtige Stellung entstanden. Immerhin hatte dafür Nadine das Glück, dass ihre Gegnerin einfach eine Figur einstellte.
Während Nadine in Runde 3 langsam, aber sicher gewann, erwischte es Andrea nun mit einer überraschenden Niederlage. Damit stand für Nadine in der 4.Runde gegen Pauline Mertens (Sachsen-Anhalt) die erste Spitzenpaarung an. Mit Schwarz erreichte sie eine bessere Stellung, spielte ab diesem Zeitpunkt aber viel zu verhalten und landete unnötig in einem schlechten Endspiel, das sie nicht halten konnte. Nachdem Andrea gewann, lagen beide nun mit zwei aus vier im Mittelfeld und hatten einigen Boden gut zu machen. Das gelang in Runde 5 prompt mit zwei Siegen.
Doch nun kam es zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, als beide wieder die Chance hatten, in die Spitzengruppe vorzustoßen, zur direkten Begegnung. Da ein Remis keiner wirklich geholfen hätte, spielten sie die Partie aus, wobei sich Nadine schließlich knapp durchsetzte. Weil die bis dahin ganz souveräne Anna Endress zeitgleich ihre erste Partie verlor, betrug Nadines Rückstand auf die Führende drei Runden vor Schluss nur noch einen Punkt.
Die Chance, sich erstmals ganz in die Spitzengruppe zu kämpfen, brachte Nadines 7.Partie gegen Thuy Nguyen Minh (Sachsen), die einen halben Punkt vor ihr rangierte. Die Gegnerin wählte eine Variante, in der sie Nadines Dame für drei Leichtfiguren „gewann“. Doch trotz des gegnerischen Vorbereitungsvorteils riss Nadine die Initiative mit aktivem Figurenspiel klar an sich. Schließlich brachte sie einen Freibauern bis kurz vor die Umwandlung und stand objektiv klar auf Gewinn. Aus Sorge vor ebenfalls vorhandenen gegnerischen Freibauern stellte sie ihren Plan fatalerweise aber zurück. Dadurch kam es schließlich zu einer Abwicklung, in der die Gegnerin unter besseren Umständen ihren Freibauern zur Umwandlung führen konnte, sodass Nadine sogar noch verlor.
Andrea spielte derweil eher unmotiviert und verlor ebenfalls, sodass nach Runde 7 alle Ambitionen dahin schienen.
Glücklicherweise sahen die beiden das anders und holten in der vorletzten Runde souveräne Siege. Doch nun erwischte sie zum Abschluss – wie schon einmal vor zwei Jahren in ganz ähnlicher Lage – das Auslosungspech. Nadine wurde gegen Anna Endress und Andrea gegen Johanna Blübaum (NRW) hochgelost, wobei beide Gegnerinnen jeweils 1,5 Punkte mehr auf dem Konto hatten. Das trübte allerdings den Kampfgeist nicht, denn Nadine konnte mit einem Sieg immerhin noch Rang 5 und damit einen Podestplatz bei der Siegerehrung erreichen.
Es sah auch gar nicht schlecht aus, denn Nadine erspielte sich mit Schwarz eine gute Stellung und hatte sogar Möglichkeiten, in Vorteil zu kommen. Schließlich startete sie eine Abwicklung, die leider ein Loch hatte und in einem schlechteren Endspiel mündete. Nadine schaffte es zwar, ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und Minusbauer zu erreichen, das aber trotz langem Kampf nicht zu halten war. Ihre Gegnerin wurde dadurch nach Buchholz Deutsche Meisterin.
Für einen positiven Abschluss der Meisterschaft sorgte Andrea, die mit ihrer stärksten Turnierleistung die (trotzdem) Viertplatzierte und langjährige Bundeskaderspielerin Johanna Blübaum besiegte. Damit landeten Nadine und Andrea mit je 5 Punkten aus den 9 Runden auf den Plätzen 7 und 9 – sicher nicht das Optimum, das erreichbar gewesen wäre, aber durchaus vorzeigbare Plätze. Für Andrea war es altersbedingt die letzte Jugend-Einzelmeisterschaft, die glücklicherweise wie beschrieben einen guten Abschluss gefunden hat. Nadine kann im nächsten Jahr noch einmal angreifen.
Neben den offiziellen Deutschen Meisterschaften waren zwei weitere Wolfbuscher am Start. Im Kinderturnier bis 9 Jahre trat Alexander Dallinger an und konnte sein Ergebnis aus dem Vorjahr gleich verdoppeln. Mit 4 Punkten aus 7 Runden erreichte er den guten 21.Platz unter 53 Teilnehmern. In der offenen U25-Gruppe spielte Katrin Erben mit, die gegen ganz überwiegend ältere und nominell stärkere Gegner sehr ordentliche 3 Punkte aus 9 Runden holte.
Am meisten Titelhoffnungen aus der württembergischen Delegation konnte man sich im Voraus bei Andreas Strunski (Stuttgarter SF) in der U18 machen. Doch nach 3 Punkten aus 4 Runden verlor er gegen den späteren Meister Julian Jorczik (Bayern) und kam anschließend völlig außer Tritt. Da auch Jens Hirneise (SpVgg Rommelshausen) und Syang Zhou (SF Deizisau) nicht über 50% hinaus kamen, avancierte völlig überraschend Philipp Müller (SC Neckarsulm) mit 5 Punkten zum erfolgreichsten Württemberger. Er hatte schon die Württembergische Jugendmeisterschaft (in Abwesenheit der genannten anderen drei) recht überraschend gewonnen.
Die beste Platzierung für Württemberg erzielte Daniela Schäfer (SF Deizisau) mit Rang 3 in der U16w. Bei den Jungs hielten sich in der U14 Mark Kvetny (SV Altbach) und Danijel Gibicar (SK Bebenhausen) bei sehr starker Konkurrenz immer in der Spitzengruppe auf und erzielten mit je 5,5 Punkten die Plätze 5 und 6. Ein weiteres gutes Ergebnis erreichte Sandra Weber (SC Neckarsulm), die in der Mädchenwertung der U12 (im Gegensatz zu den höheren Altersklassen spielen bei U10 und U12 Mädchen und Jungen gemeinsam) Rang 6 belegte. Die Ergebnisse aller Württemberger gibt es in einer Übersicht.
Die Orientierung vor Ort brachte ein paar Schwierigkeiten mit sich...
Alle folgenden Bilder stammen von der DSJ:
Das Treff Hotel Panorama Oberhof
Sonja und Katrin Häcker hatten die Organisation voll im Griff...
...und Yves Mutschelknaus als Schiri erst Recht.
Nadine Stitterich, U18w
Katrin Erben, U25-Open
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