Für unser Frauenteam ging es am Wochenende mit einer Doppelrunde im sächsischen Rodewisch in die zweite Saisonhälfte, nachdem kurz vor Halbzeit erstmals die Abstiegsränge verlassen werden konnten. Gegen die Gastgeberinnen der Rodewischer Schachmiezen sowie den Drittplatzierten der Vorsaison, SC Bad Königshofen aus Bayern, die beide mit einer Vielzahl ausländischer Meisterspielerinnen besetzt sind, rechnete sich unsere Mannschaft diesmal aber keine Chancen auf einen Punktgewinn aus. Zunächst sah es auch noch so aus, als müssten wir in diesen Runden 6 und 7 deutlich ersatzgeschwächt antreten. Überflüssig zu erwähnen ist dabei eigentlich, dass wir mit rund 20 Jahren Durchschnittsalter wieder ein sehr junges Team am Start hatten – doch diesmal stieg der Altersdurchschnitt über Nacht sprunghaft an: Nadine Stitterich hatte Geburtstag! Aus diesem Grund ist es ihr besonders hoch anzurechnen, dass sie dennoch die Reise nach Rodewisch antrat. Ähnliches gilt für Larissa Erben, die an der Uni einige Verpflichtungen hatte, aber sich dennoch lossagte, sodass wir unserer Stammformation doch recht nahe kamen. Neben Sonja Häcker, Katja Jussupow und Nigora Djalalova kam Franziska Fey zu ihren ersten Saisoneinsätzen und komplettierte die Mannschaft.
In der Begegnung mit den Gastgeberinnen zeichnete sich leider schon frühzeitig ab, dass sich die Erwartungen erfüllen würden. Rodewisch war zwar vergleichsweise schwach angetreten, bot aber immer noch zwei Großmeisterinnen, eine Internationale Meisterin und zwei FIDE-Meisterinnen auf. Sonja und Franzi gerieten schon in der Eröffnung deutlich in die Defensive. Ihre Stellungen brachen dann auch bald zusammen, sodass es nach wenigen Stunden bereits 0:2 stand. Auch Katja kam recht früh auf Abwege und musste eine Figur für zwei Bauern opfern, wonach sich eine weitere Niederlage abzeichnete. Dass immerhin kein Debakel drohte, lag insbesondere an zwei Partien. Larissa erspielte sich eine aussichtsreiche Angriffsstellung und machte allen Anschein, ihren bisherigen Traumscore von 4,5/5 weiter aufstocken zu können. Unkonventionell verlief währenddessen die Partie von Nigora. Sie hatte gemäß eines spontanen Einfalls auf der Hinfahrt (!?) mit Schwarz 1…a6 und 2…b5 eröffnet. Damit schien ihre Gegnerin verständlicherweise nicht gerechnet zu haben, sodass Nigora in der Eröffnung immerhin einen deutlichen Zeitvorteil herausholte.
Auch Nadines Partie bewegte sich lange Zeit zumindest im ausgeglichenen Bereich, bis ihr leider im Mittelspiel kein richtiger Plan einfiel und die Initiative an ihre Gegnerin überging. In dieser Phase gelang es aber Nigora, das Blatt auch stellungsmäßig zu ihren Gunsten zu wenden. Sie kam mustergültig zu Gegenspiel, legte die gegnerischen Schwächen offen und gewann bei knapp werdender gegnerischer Zeit entscheidendes Material und dann die Partie. Mit ihrem – doch recht überzeugenden – ersten Erstligasieg erstickte sie natürlich auch gleich jede mögliche Skepsis zu ihrer Eröffnungswahl im Keim… Leider verlief sich Larissas Angriff inzwischen und die Stellung vereinfachte sich zum Remis, während Nadine Bauer und Partie verlor. Die 1,5:4,5-Niederlage lag also etwa im Bereich der Erwartungen.
Nach dem Kampf gab es das übliche gemeinsame Abendessen beim Chinesen mit gewohnt guter Stimmung und natürlich die Vorbereitung auf den nächsten Gegner. Demgegenüber verzichteten wir darauf, wie zunächst angedacht in Nadines Geburtstag hineinzufeiern, da Anfahrt und Partien doch einige Energie gekostet hatten. Außerdem wollten wir natürlich vermeiden, gegen Bad Königshofen, die unseren Reisepartner SV Medizin Erfurt mit 5:1 abgefertigt hatten, völlig unterzugehen. Die entsprechende Sorge war an sich keineswegs unberechtigt, denn die Bayern waren nominell noch ein ganzes Stück stärker als Rodewisch und wir hatten uns ja auch nicht gerade in Topform präsentiert.
Doch wie die Dinge so laufen, passieren Überraschungen meistens dann, wenn man gar nicht damit rechnet. Außerdem begann am nächsten Morgen ja auch ein ganz besonderer Tag. Kurz vor der Runde gab es noch Bescherung für das Geburtstagskind und dann ging es los mit dem Ziel, sich möglichst teuer zu verkaufen. Bad Königshofen hatte an jedem Brett einen DWZ-Vorteil von mindestens 130 Punkten, im Mannschaftsschnitt waren es sogar 240 Punkte Unterschied. Einen ganz schweren Stand hatte besonders Sonja am Spitzenbrett gegen die klare Nr.1 in Deutschland, Elisabeth Pähtz. Aber gerade das ist ja das Schöne in dieser Saison, dass sich unsere Mädels einmal mit den absoluten Topspielerinnen messen können.
Sonja verteidigte sich auch eine ganze Weile sehr ordentlich und musste sich erst geschlagen geben, als sie nach einem Fehler eine Qualität verlor. Zu dem Zeitpunkt waren bereits zwei andere Entscheidungen gefallen. Auch Franzi zeigte im Vergleich zum Vortag eine deutlich verbesserte Leistung und erreichte ein völlig ausgeglichenes Mittelspiel ohne jedes Risiko. Leider entwickelte sie dann aber zu große Ambitionen und opferte einen Bauern, was sich aber nicht auszahlte. Stattdessen ging es nun bergab und sie musste sich bald geschlagen geben. Dafür zeigte Katja einmal mehr, dass sie gegen jede Gegnerin für einen vollen Punkt gut ist. Gegen die tschechische Großmeisterin Katrin Nemcova übernahm sie früh die Initiative, gewann einen Bauern, und als die Gegnerin auch noch eine Figur einstellte, war es nach nicht einmal 20 Zügen schon vorbei.
Inzwischen sah es aber leider bei Larissa gegen Maria Schöne, deutsche Olympiaden-Teilnehmerin von 2008, nicht mehr gut aus. Mit Schwarz hatte sie bei entgegen gesetzten Rochaden zunächst zwar planmäßig absolut vollwertiges Gegenspiel erreicht, dann aber nicht zielstrebig genug fortgesetzt. Die Folge war hoher Zeitverbrauch und ein Bauernverlust, was schließlich in ihrer ersten Saisonniederlage mündete. Deutete der Zwischenstand von 1:3 zwar auf einen standesgemäßen Sieg der hohen Favoritinnen hin, war die Sache auf den Brettern noch keineswegs so klar. Vielmehr durften wir uns plötzlich sogar noch berechtigte Hoffnungen auf ein Unentschieden machen!
Nigora hatte mit einem erneut eher ungewöhnlichen Aufbau ihre Gegnerin zu einem interessanten Bauernopfer in der Eröffnung verleitet, wonach ihr Rochaderecht verloren ging. Doch mit der Zeit konsolidierte Nigora ihre Stellung und hatte einfach einen Mehrbauern. Währenddessen spielte auch Nadine groß auf. Mit der ganzen Routine einer 17-Jährigen übernahm sie als Schwarze im Spanier das Kommando am Damenflügel, bis sich ihre um 200 Punkte stärkere Gegnerin gezwungen sah, eine Qualität zu opfern. Die Sache war danach zwar keineswegs einfach, aber Material ist Material.
In der Zeitnotphase beschleunigten sich dann die Ereignisse. Nigoras Gegnerin hatte offenbar keine Lust, eine Stellung mit Minusbauer zu verteidigen und opferte daher massiv Material im Hinblick auf ein Dauerschach, das aber keines war. Mit ihrem zweiten Sieg war Nigora die überragende Spielerin des Wochenendes, besonders da auch an dieser Partie wenig auszusetzen war. Da Nigora nach der für sie persönlich unglücklich gelaufenen DVM im letzten Dezember ziemlich frustriert war, ist es schön zu sehen, dass sie nun ihre Topform wieder gefunden hat und zu hoffen, dass diese noch länger anhält.
Was wäre das nun für eine Story gewesen, wenn Nadine an ihrem Geburtstag mit einem Sieg das geradezu sensationelle Mannschaftsremis gesichert hätte! Aber das ganz große Happyend blieb aus. Im 40.Zug unterlief Nadine leider eine Ungenauigkeit, die zu starkem Gegenspiel führte. Daraufhin sah sich Nadine gezwungen, die Qualität zurück zu geben, sodass schließlich ein Endspiel ohne jede Gewinnaussicht entstand, in dem sich sogar das Blatt zu wenden drohte. Ihr blieb daher nichts anderes übrig, als ins Remis einzuwilligen.
Die 2,5:3,5-Niederlage ist natürlich ein mehr als achtbares Ergebnis, aber der durchaus machbare Punktgewinn hätte im Hinblick auf den Klassenerhalt ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Eine Anekdote am Rande: Dieser etwas unglückliche Ausgang trieb unmittelbar nach Partieende einen Funktionär zu der tröstenden Aussage (sinngemäß) „Wenn ihr wieder aufsteigt, dann fahrt ihr solche Punkte bestimmt ein.“, worauf Franzi nicht zu Unrecht anmerkte „Wohin sollen wir denn noch aufsteigen…?!“.
Nach dieser Doppelrunde befindet sich unser Frauenteam zwar wieder auf einem Abstiegsplatz. Da uns von den beiden vor uns liegenden rettenden Plätzen aber jeweils nur ein Punkt trennt, ist in den abschließenden beiden Doppelrunden, die im März im Abstand von nur zwei Wochen stattfinden, weiterhin alles möglich. Zumindest stehen die Chancen gut, dass wir uns bis zum letzten Spieltag der Saison eine Chance auf den Klassenerhalt erhalten können. Und allein schon das wäre ein Erfolg.
1.Frauen-Bundesliga, 6.Spieltag:
Rodewischer Schachmiezen - SV Wolfbusch 4½:1½
Pokorna, Regina - Häcker, Sonja 1:0
Rudolf, Anna - Jussupow, Ekaterina 1:0
Steinbacher, Claudia - Erben, Larissa ½:½
Kubikova, Alena - Djalalova, Nigora 0:1
Kubikova, Hanna - Stitterich, Nadine 1:0
Schulz, Anja - Fey, Franziska 1:0
7.Spieltag: Tabelle
SV Wolfbusch - SC Bad Königshofen 2½:3½
Häcker, Sonja - Pähtz, Elisabeth 0:1
Jussupow, Ekaterina - Nemcova, Katrin 1:0
Erben, Larissa - Schöne, Maria 0:1
Djalalova, Nigora - Blazkova, Petra 1:0
Stitterich, Nadine - Mikliaeva, Darja ½:½
Fey, Franziska - Hodova, Lucie 0:1
Entspanntes Abendessen nach der chancenlosen Niederlage (v.l.): Nigora Djalalova, Alexander Häcker (einer muss ja zahlen), Nadine Stitterich, Franziska Fey
Sonja Häcker, Larissa Erben, Katja Jussupow, Nigora Djalalova
Geburtstagsgeschenke?!?
Katja Jussupow schlägt WGM Katrin Nemcova
Mit originellen Eröffnungen zum Erfolg: Nigora Djalalova
Geburtstagskind mit starker Leistung
Sonja Häcker gegen WGM Elisabeth Pähtz, unangefochtene Nr.1 unter Deutschlands Frauen
Meldung beim Deutschen Schachbund mit dem Mannschaftsfoto unseres Teams!
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