Die zweite Doppelrunde dieser Saison in der 1.Frauen-Bundesliga war für unser Team eine ganz besondere: zum einen waren wir Ausrichter und hatten somit ein Heimspiel und zum anderen ging es erstmals gegen einen schlagbaren Gegner. Die Vorfreude vergrößerte sich noch dadurch, dass wir trotz des kurzfristigen gesundheitsbedingten Ausfalls von Nigora Djalalova in Bestbesetzung antreten konnten. Neben unserem Reisepartner SV Medizin Erfurt empfingen wir den Hamburger SK und den SK Lehrte (Niedersachsen). Letztere zählen zusammen mit uns sowie Erfurt und dem SAV Torgelow zu den vier Teams der Liga, die den mit Abstand schwächsten Kader haben. Voraussichtlich wird nur eines davon am Ende den Abstieg vermeiden können. Daher war die Begegnung am Sonntag von besonderer Bedeutung. Gespielt wurde wie in den letzten Jahren im "kleinen Pavillon" des Solitude-Gymnasiums in Stuttgart-Weilimdorf, der - jedenfalls nachdem die Heizung in Gang gekommen war - gute Bedingungen bot. Ein großer Dank gilt an dieser Stelle Andrea Erben, die über das ganze Wochenende Spieler und Zuschauer - von denen es durchaus einige gab - mit Getränken und Verpflegung versorgte.
Bei diesem Zusammentreffen von drei Abstiegskandidaten war der Hamburger SK in beiden Begegnungen gegen uns und Erfurt klar favorisiert, obwohl die Hansestädter "nur" drei ihrer fünf Großmeisterinnen aufboten, sodass wir an den hinteren drei Brettern nominell sogar ebenbürtig waren. Die Devise hieß für unser Team in der Aufstellung Annegret Weng, Sonja Häcker, Katja Jussupow, Larissa Erben, Susan Großmann, Nadine Stitterich also, am Samstag nicht die Hoffnung auf eine Überraschung aufzugeben, aber Kräfte für Sonntag zu sparen. Der Plan ging leider nur fast auf.
Als erstes war die Partie von Larissa beendet. Beide Seiten hatten ordentlich Öl ins Feuer gegossen, bis die Schlacht mit einem gerechten Dauerschach endete. Als nächstes machte sich aber die Überlegenheit der Gäste an den beiden Spitzenbrettern bemerkbar. Annegret musste sich dem Königsangriff der deutschen Nationalspielerin Marta Michna im damenlosen Mittelspiel geschlagen geben und Sonja verlor nach einem Bauernverlust im Endspiel. Schmerzhafter war allerdings, dass Nadine im Mittelspiel aus zunächst guter Stellung einen Bauern einstellte und letzten Endes auch die Partie. Damit war der Kampf gelaufen, doch unsere beiden Gastspielerinnen konnten noch verkürzen. Susan spielte bei ihrem ersten Einsatz für unseren Verein eine starke Partie, verpasste aber bei knapp werdender Bedenkzeit eine gewinnbringende Fortsetzung, die ihr zu riskant erschien. Stattdessen entschied sie sich zu einem Bauerngewinn, der freilich nichts an ihrem Vorteil änderte, aber der Gegnerin Zeit gab, ihre Verteidigung zu organisieren und letztlich die Partie zu halten.
Dafür sorgte Katja für eine deutliche Überraschung. Sie überspielte mit Schwarz die dritte Großmeisterin der Hamburger und gewann spektakulär durch Turmopfer! Der Endstand von 2:4 war daher durchaus achtbar und so weit waren wir von einem Unentschieden gar nicht entfernt.
Am Sonntag Morgen ging es also gegen Lehrte, die sich tags zuvor von Erfurt 3:3 getrennt hatten - kein schlechtes Ergebnis für uns, falls nun ein Sieg gelänge. Doch der Kampf begann leider sehr unerfreulich. Nadine, die seit Saisonbeginn bisher in glänzender Form spielte, bekam an diesem Wochenende seltsamerweise kein Bein auf den Boden. Gegen den gegnerischen Bauernsturm fand sie kein Mittel und verlor ohne große Gegenwehr. Dafür schlug Larissa nach einem frühen Bauerngewinn zu und nahm ihre Gegnerin sicher auseinander. Nach ihren beiden starken Siegen in der 1.Doppelrunde schraubte sie damit ihr bisheriges Saisonergebnis auf fantastische 3,5 aus 4!
Doch inzwischen hatten sich zwei andere Partien zum schlechteren gewendet. Susan stand im frühen Mittelspiel besser, fühlte sich aber vielleicht etwas zu sicher. Zunächst ließ sie zu, dass ein gegnerischer Abseits stehender Springer wieder eingreifen konnte und lief anschließend in einen taktischen Trick. Den hatte zwar auch ihre Gegnerin nicht richtig berechnet, doch leider funktionierte er trotzdem und kostete zwei Bauern.
Am Spitzenbrett hatte es Annegret, die an diesem Wochenende nach längerer Spielpause antrat, mit der Internationalen Meisterin Sarah Hoolt zu tun, die vor einem Jahr für Deutschland bei der Schacholympiade im Einsatz war. Annegret spielte recht ambitioniert auf Angriff und opferte schließlich eine Bauern, für den sie keine Kompensation erhielt. Stattdessen hätte sie durch einen rechtzeitigen Kurswechsel relativ einfach eine völlig ausgeglichene Stellung und womöglich so ein Remis erreichen können. Gleiches wäre Susan sicherlich durch ein schlichtes Remisgebot zum rechten Zeitpunkt geglückt, aber leider weiß man ja vorher nie, wie der Kampf letztlich ausgeht... So jedenfalls mussten sich letztlich beide im Endspiel geschlagen geben.
Beim Zwischenstand von 1:3 war freilich die Euphorie verflogen, denn der angestrebte Sieg war nicht mehr möglich. Immerhin gab es auch keinen Grund für allzu große Sorgen, denn Sonja und Katja hatten inzwischen deutliche Materialvorteile erreicht. Sonja übernahm mit Schwarz schon in der Eröffnung die Initiative und nachdem ihre Gegnerin in eine Springergabel gelaufen war, hatte sie letztlich auch mit der Verwertung keine Probleme. Eine interessante Partie hatte wieder Katja auf dem Brett. Sie opferte in der Eröffnung einen Bauern, erhielt dafür Entwicklungsvorsprung und Einbruchsmöglichkeiten in die gegnerische Stellung. Anschließend schnürte sie ihre Gegnerin so ein, dass letztlich Figurenverlust nicht zu vermeiden war. Die dennoch nicht ganz einfache technische Verwertung im Endspiel meisterte Katja souverän. Mit ihrer zweiten überzeugenden Partie des Wochenendes stellte sie das 3:3 sicher und unterstrich nachdrücklich ihre Bedeutung für die Mannschaft.
Nachdem im Parallelspiel Hamburg gegen Erfurt mit 5:1 gewann, ist uns an diesem Wochenende gewiss alles andere als ein Befreiungsschlag gelungen, aber es bestehen durchaus noch Chancen, den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze herzustellen. Gegen Lehrte - die bereits vier Mannschaftspunkte, aber auch schon alle Abstiegskandidaten hinter sich haben - bleibt zwar das ungute Gefühl, den Sieg vergeben zu haben. Die nächste realistische Chance bietet sich aber schon am nächsten Spieltag. In der kommenden Einzelrunde am 17.Januar 2010 treffen nämlich die jeweiligen Reisepartner aufeinander, sodass wir wiederum den SV Medizin Erfurt empfangen. Da die Erfurter wie wir derzeit nur einen Punkt aufweisen und das Schlusslicht der Tabelle bilden, hat diese Begegnung sicherlich schon vorentscheidenden Charakter.
1.Frauen-Bundesliga, 3.Spieltag:
SV Wolfbusch - Hamburger SK 2:4
Weng, Annegret - Michna, Marta 0:1
Häcker, Sonja - Voiska, Margarita 0:1
Jussupow, Ekaterina - Kadziolka, Beata 1:0
Erben, Larissa - Zickelbein, Eva-Maria ½:½
Großmann, Susan - Berglitz, Regina ½:½
Stitterich, Nadine - Schmidt, Jade 0:1
4.Spieltag: Tabelle
SK Lehrte - SV Wolfbusch 3:3
Hoolt, Sarah - Weng, Annegret 1:0
Markgraf, Claudia - Häcker, Sonja 0:1
Zschischang, Marine - Jussupow, Ekaterina 0:1
Laake, Jasmin - Erben, Larissa 0:1
Schulze, Dorothee - Großmann, Susan 1:0
Saal, Hilkka - Stitterich, Nadine 1:0
WFM Annegret Weng gegen WGM Marta Michna (Hamburger SK)
Ekaterina Jussupow gegen WGM Beata Kadziolka (Hamburger SK)
Jeweils links die Wolfbuscherinnen Larissa Erben, Susan Großmann, Nadine Stitterich
Nadine Stitterich
Susan Großmann
Katja Jussupow
WFM Annegret Weng gegen WIM Sarah Hoolt (SK Lehrte)
Sonja Häcker gegen Claudia Markgraf (SK Lehrte)
Larissa Erben gegen Jasmin Laake (SK Lehrte)
Susan Großmann gegen Dorothee Schulze (SK Lehrte)
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