Die Württembergischen Meisterschaften fanden diesmal in Balingen statt, wo zusätzlich zum Meister- und Kandidatenturnier seit längerem auch wieder eine Frauenmeisterschaft zustande kam. Im Meisterturnier ging es natürlich um den Titel des Württembergischen Meisters sowie um zwei Qualifikationsplätze für die Deutschen Meisterschaften. Im Kandidatenturnier kämpften die Teilnehmer um sechs Aufstiegsplätze ins Meisterturnier. Die Turniere dauerten jeweils neun Tage, wobei jeden Tag eine Runde gespielt wurde. Im Frauenturnier fanden sich schließlich sechs Teilnehmerinnen zusammen, die vollrundig spielten und daher erst einige Tage später ins Geschehen eingriffen.
Im Teilnehmerfeld des Meisterturniers fehlte diesmal der frühere Dauersieger IM Frank Zeller, sodass der Sieger der letzten beiden Jahre, FM Andreas Reuß (Stuttgarter SF), als Favorit im vergleichsweise schwach besetzten Feld galt. Als Trend lässt sich beobachten, dass immer mehr junge Spieler teilnehmen und durchaus auch vorne mitmischen. Simon Behm, Tobias Hirneise und Andreas Strunski spielten schon im letzten Jahr im Meisterturnier, diesmal rückte auch Jens Hirneise auf. Und vom Alter her kam dann auch schon ich, leider wieder als einziger Wolfbuscher Teilnehmer bei den Herren. Nachdem ich im letzten Jahr völlig überraschend erst in der letzten Runde meine erste Partie verloren hatte, lief es diesmal gegen Jens Hirneise gleich zum Auftakt völlig anders.
Nach diesem verkorksten Start galt es in Runde 2 aufzuholen. Dabei entstand eine der vielleicht kuriosesten Partien der Meisterschaft, wie man sie auf „diesem Niveau“ eigentlich nicht erwarte sollte… Gegen Gerhard Schuster aus Feuerbach erspielte ich eine klare Gewinnstellung, zusätzlich kam mein Gegner mehr und mehr in heftige Zeitnot. Doch gerade in so einer Situation will man natürlich nichts mehr falsch machen und so rechnete ich – als mir noch gar nichts drohte – bei jedem Zug alle möglichen Varianten ausführlich durch. Leider gewann in dieser Phase nahezu jeder Zug mit der Zeit, es war also ziemlich egal was ich zog. Folge war aber, dass auch meine Zeit weniger wurde und zwar gerade dann, als mein Gegner langsam einigermaßen beachtliche Drohungen aufstellen konnte („einfachster“ Gewinnweg wäre zwar gewesen, die Drohungen zu ignorieren, aber das ist eine andere Geschichte). Um es kurz zu machen: im 34.Zug stellte ich glatt einen Turm ein. Meine drei verbundenen Freibauern sorgten da für wenig Hoffnung; eher schon die Tatsache, dass mein Gegner noch etwa 12 Sekunden auf der Uhr hatte… Und dieser Umstand machte sich zum Glück noch bemerkbar. Zwar kostete es mich zunächst auch noch die Dame, dafür durfte ich einen Bauern umwandeln. Im weiteren wilden Geblitze (aber wohl schon nach dem 40.Zug) stellte mein Gegner dann noch seine eigene Dame ein. Heraus kam ein vom Partieverlauf her sicherlich verdienter, aber letztendlich reichlich glücklicher Sieg.
In Runde 3 konnte ich mich nach fast 6 Stunden trotz ungleichfarbiger Läufer (mit Türmen) gegen Norbert Hallmann durchsetzen. Schneller ging es in der nächsten Runde, als Eckart Bauer für mich überraschend früh schon nach 16 Zügen aufgab. Er hatte aber tatsächlich recht damit.
Plötzlich lag ich mit 3 Punkten aus 4 Runden gar nicht mehr so schlecht, aber jetzt wurde es natürlich erst richtig ernst. Überraschendes hatte sich an der Spitze getan, denn die ersten Drei der Setzliste Andreas Reuß, Mathias Holzhäuer und Thilo Kabisch lagen allesamt nur im Mittelfeld. Am Spitzenbrett trafen sich die Bebenhäusener Boris Latzke und Rudi Bräuning, was von ersterem nicht unbedingt zu erwarten war. Aber zur Turniermitte gibt es eben noch solche Überraschungen, schließlich spielte ich ja auch an Brett 2?!?
Dort geriet ich nach einer ungenauen Abwicklung gegen Gerd Lorscheid ziemlich unter Druck, welcher sich aber gerade noch aushalten ließ. Während sich im Spitzenduell Boris Latzke durchsetzte und die alleinige Tabellenführung eroberte, konnte ich also mein 2.Brett für eine weitere Runde verteidigen. Dort traf ich auf Tobias Hirneise, gegen dessen kleinen Bruder ich ja schon schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Doch diesmal lief es besser und nach einem Springereinschlag auf g7 wähnte ich den Punkt schon in Reichweite. So einfach war es zwar noch nicht, aber schließlich erreichte ich ein gewonnenes Endspiel.
Nach dieser sagenhaften Glückssträhne mit 4,5 Punkten aus den letzten 5 Runden lag ich unverhofft auf dem alleinigen 2.Tabellenplatz! Aber das interessante an solchen Meisterschaften ist nun mal, dass nahezu jeder jeden schlagen kann, weshalb in den letzten drei Runden natürlich noch alles passieren konnte. Und das tat es dann auch so ziemlich.
Der weiter allein davoneilende Boris Latzke spielte gegen mich einen seltenen Plan in der Abtauschvariante des Damengambits. Obwohl ich das richtige Gegenmittel – das zu gutem Spiel geführt hätte – sah, lief die Partie ziemlich an mir vorbei. Zuerst überschätzte ich meine Stellung und zog sinnlos herum, um sie zu „verstärken“; später unterschätzte ich meine Stellung und zog sinnlos herum, weil ich sie fälschlich für nicht mehr zu retten hielt.
An Brett 1 darf man schon mal verlieren, auch wenn das unter Umständen besonders weh tut. Also legte ich meine Hoffnung in die vorletzte Runde. Holger Namyslo vollbringt Jahr für Jahr das Kunststück, für die komplette Meisterschaft organisatorisch mitverantwortlich zu sein und trotzdem im Meisterturnier hervorragend abzuschneiden. Gegen mich verzichtete er auf seine Hauptwaffe Französisch und spielte die Drachenvariante. Obwohl ich mich nicht speziell darauf vorbereitet hatte, lief die Eröffnung ganz gut für mich. Schließlich sah sich Holger gezwungen, ohne Kompensation die Qualität zu opfern. Ich gab schließlich noch einen Bauern für Angriff und verpasste den daraufhin wohl möglichen Gewinn. Bei beiderseits knapper Zeit kam es zum Damentausch und einem nicht untypischen Endspiel, dass sich unglücklicherweise trotz Mehrqualität als schwierig für Weiß herausstellte. Ich schaffte es nicht, meine Figuren zu koordinieren und verlor die Partie sogar noch.
Das war nun ein herber Rückschlag, denn bei einem Sieg wären die Chancen auf einen Treppchenplatz hervorragend gewesen. Nach der zweiten Niederlage in Folge taten sich mir nun aber Horrorvisionen auf, was die Auslosung der letzten Runde nicht gerade änderte. Denn statt einem „Aufbaugegner“ zum Abschluss traf ich ausgerechnet auf den Titelverteidiger Andreas Reuß, der sich wieder etwas gefangen hatte.
Die Partie verlief dann aber insgesamt sehr ausgeglichen und endete mit einem gerechten Remis. Anschließend war ich wieder einigermaßen glücklich, weil immerhin der schlimmste Fall einer „langen Rochade“ meinerseits in den letzten drei Runden abgewendet war. Doch diese Stimmung trübte sich wiederum, als sich bei der Analyse herausstellte, dass ich im 40.Zug nahezu einzügig hätte gewinnen können! (Als ich meinen 40.Zug ausgeführt hatte, blieben mir leider nur noch 6 Sekunden auf der Uhr)
Mit 5 Punkten und Platz 8 erreichte ich schließlich das gleiche Ergebnis wie im letzten Jahr, welches ganz bestimmt nicht unter den Erwartungen liegt. Aber nach einem zwischenzeitlich alleinigen 2.Platz wäre vielleicht auch etwas mehr drin gewesen…
Boris Latzke sicherte seine Führung souverän ins Ziel und wurde mit einem ganzen Punkt Vorsprung Württembergischer Meister – sicher eine der größten Überraschungen der letzten Jahre.
Nun mag sich vielleicht manch aufmerksamer Leser fragen, wie denn dieser Artikel zu seinem Namen gekommen ist. Keine Sorge, das beste kommt natürlich zum Schluss! Und wer bis hierhin durchgehalten hat, wird jetzt belohnt mit den wirklich interessanten Meldungen.
Denn bei der Frauenmeisterschaft war der Anteil Wolfbuscher Spielerinnen deutlich höher. Von den sechs Teilnehmerinnen kamen drei aus unserem Verein. Nachdem in den letzten Jahren teilweise gar keine Meisterschaft zustande kam, waren diesmal auch hier drei Jugendspielerinnen am Start.
Um den Titel war ein Zweikampf zu erwarten zwischen Elke Sautter und Larissa Erben. Elke Sautter war in der letzten Saison als Gastspielerin in unserer 1.Frauenmannschaft für den Bundesligaaufstieg mitverantwortlich und wechselte nun komplett zu uns. Dritte Wolfbuscher Teilnehmerin war Nadine Stitterich, die an Rang 4 gesetzt gleich in Runde 1 ihre vermeintliche Konkurrentin um den 3.Platz, Yvonne Hapke aus Bisingen, besiegte.
Nach zwei Runden bot sich ein bemerkenswertes Bild. Unsere drei Spielerinnen hatten jeweils (wenn auch nicht immer ganz souverän…) zwei Siege gesammelt und lagen in Führung.
In Runde 3 gab es jedoch eine kräftige Überraschung, als Elke Sautter gegen Yvonne Hapke verlor. Larissa besiegte Nadine und eroberte damit die alleinige Führung. Daran änderte sich in der vorletzten Runde nichts mehr, sodass dem als Finale gedachten Duell der beiden Top-Favoritinnen in der letzten Runde etwas der Wind aus den Segeln genommen wurde.
Mit dem abschließenden Remis sicherte sich Larissa, die schon mehrmals württembergische Jugendmeisterin war, ihren ersten Titel bei den Frauen. Damit verbunden ist die Qualifikation zur Deutschen Frauenmeisterschaft, die im nächsten Jahr wieder in Bad Königshofen in Bayern stattfindet. Zu einem Wolfbuscher Dreifachsieg kam es leider nicht, da Nadine mit guten 3 Punkten aufgrund schlechterer Wertung den 4.Platz belegte.
Es ist zu hoffen, dass die Frauenmeisterschaft im nächsten Jahr weiteren Zulauf findet. Weiter ist zu hoffen, dass wir unseren Teilnehmeranteil auch bei den Herren erhöhen. Er muss ja auch nicht gleich die 50% der Frauen erreichen.
Wie üblich gibt es zu allen Meisterschaften eine gemeinsame ausführliche Turnierseite mit Ergebnissen, Bildern und Partien.
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