Nun folgt endlich der lang erwartete Bericht zur kürzlich beendeten Württembergischen Meisterschaft.
Seit 2003 werden das Meister- und Kandidatenturnier (Qualifikation zum Meisterturnier) jährlich gemeinsam ausgetragen. Ausgerichtet wurde die Meisterschaft diesmal vom SV Jedesheim in Illertissen hinter Ulm, also auf bayerischem Hoheitsgebiet. Gespielt wurde neun Tage lang je eine Runde in der „Historischen Schranne“, die zwar ruhig gelegen war, sich aber bei den spätsommerlichen Temperaturen mit der Zeit doch ziemlich aufheizte.
Die Favoriten im Meisterturnier waren die gleichen, wie in jedem Jahr: In erster Linie natürlich Frank Zeller von der SG Schwäbisch-Gmünd, Seriensieger von 2000 bis 2003 und Titelverteidiger Andreas Reuß von den Stuttgarter Schachfreunden. Weiter im Teilnehmerfeld befand sich auch der neue Präsident unseres Schachverbandes, Dr. Hans Ellinger, und einige württembergische Jungstars, nämlich Simon Behm, Tobias Hirneise und Andreas Strunski (12 Jahre).
Nach der Durststrecke im letzten Jahr nahm mit mir auch mal wieder ein Wolfbuscher Spieler teil. Knapp in der zweiten Hälfte der 24 Teilnehmer gesetzt und ohne richtige Vorbereitung (die man sich vor so einem Turnier schon erlauben sollte) startete ich aber ohne große Ambitionen, zumal meine letzten schachlichen Leistungen nicht gerade Glanzlichter waren. Ich entschied mich dafür, täglich hin zu fahren, was eigentlich auch ganz gut klappte.
Mit FM Mathias Holzhäuer vom SK Schmiden/Cannstatt erwischte ich gleich einen schweren Gegner. Am Spielabend direkt vor Turnierbeginn versuchten wir in gemütlicher Runde so etwas wie eine Vorbereitung, die sich tatsächlich auszahlen sollte. Ich spielte mit Weiß eine Variante, die zwar ein Tempo spart, dafür aber früh Zugwiederholung von Schwarz zulässt (in der Annahme, dass sich mein Gegner damit nicht zufrieden geben würde). Er fand aber nichts Besseres und so endete die Partie bald friedlich.
Statt eines „Aufbaugegners“ (gab’s in dem Feld natürlich sowieso nicht…) erwischte ich in Runde 2 mit Thilo Kabisch vom Oberligasieger HP Böblingen gleich den Viertgesetzten. Wegen meiner Kräftesparung in der ersten Runde konnte ich die Partie aber recht offen gestalten, bis mein Gegner in ausgeglichenem Endspiel zu viel wollte und in eine Verluststellung abwickelte. Anstatt den logischen (Gewinn-)Weg zu wählen, wollte ich aber wegen der knappen gegnerischen Zeit den einen oder anderen „unerwarteten“ Zug einstreuen und vertat die Stellung so nach und nach wieder ins Remis.
Gegen Kabischs Vereinskollegen Thomas Heinl konnte ich am nächsten Tag nicht so viel falsch machen. Nach der Eröffnung startete er in „normaler“ Stellung ein taktisches Gemetzel, ließ mir dabei meistens nur Raum für einzige Züge, opferte eine Figur nach der anderen und gab am Ende Dauerschach. Immerhin kann eine 21-zügige Remispartie auch ganz schön interessant sein (sie hat es immerhin bis in die Schachspalte der Stuttgarter Zeitung gebracht)!
Trotz „nur“ 50% (damit war ich ja hochzufrieden) wurden die Gegner einfach nicht schwächer. Gegen Wolfgang Mack vom SC Laupheim geriet ich früh in eine sehr gedrückte Stellung und konnte über weite Teile des Mittelspiels nur hin- und herziehen. Wenigstens zeigte sich die gedrückte Stellung als einigermaßen verteidigungsfähig. Nach dem Abtausch einiger Figuren und Strukturveränderungen, um meine „Festung“ zu knacken, offenbarten sich aber auch Schwächen in der gegnerischen Stellung. Bei einer für ihn unglücklichen Abwicklung ließ mein Gegner meine Schwerfiguren über die h-Linie eindringen (das erste Mal, dass ich in der fremden Bretthälfte war…), was zu einem siegreichen Angriff führte.
Gegen Gerhard Lorscheid von den Schachfreunden stellte ich nach interessantem Partieverlauf einfach zweizügig die Qualität ein, erhielt aber nach einigen „zweitbesten“ Zügen von ihm Verteidigungschancen und konnte schließlich ein Remisgebot annehmen.
Nach fünf Runden war ich also gegen starke Gegner völlig überraschend noch ungeschlagen und wagte mich sogar in die vordere Hälfte vor. Dort hatte bislang Simon Behm für Aufsehen gesorgt, der gegen die beiden Führenden, Andreas Reuß und (den bis dahin weitgehend unbekannten) Dimitrij Anistratov, remisiert hatte und 3,5/5 vorweisen konnte. Ganz an der Spitze lagen die beiden Genannten mit 4 Punkten, Frank Zeller hatte schon einige Remisen abgegeben und stand mit 3 Punkten in Lauerstellung.
Die wohl größte Sensation zu diesem Zeitpunkt war Andreas Strunski, der in der 5.Runde seine erste Niederlage hinnehmen musste (und das auch nur, weil er sich veropfert hatte), aber mit 2,5/5 immer noch glänzend da stand.
Für mich ging es in Runde 6 gegen Holger Namyslo. Glücklicherweise spielten wir 16 Züge lang eine mir bekannte Partie nach (und das kommt bei mir nicht gerade häufig vor…), was nicht besonders viel Bedenkzeit in Anspruch nahm. Plötzlich war ich überrascht, als ich die Züge wiederholen musste, Holger wich aber ab, was mir eine klar bessere Stellung einbrachte. Wieder schaffte ich es aber nicht, diese zu verwerten, also folgte mein fünftes Remis.
Ungeschlagen zu sein ist ja ganz schön, aber immer Remis ist auch langweilig. Da hilft nur eins: Zur Abwechslung mal gewinnen. Eckart Bauer von der SpVgg Rommelshausen packte eine ungewöhnliche Eröffnung aus, woraus sich eine interessante Partie und scharfe Stellung entwickelte. Er wickelte schließlich in ein Endspiel mit nominellem Mehrbauern ab, das für mich wegen zweier verbundener Zentrumsbauern aber klar vorteilhaft war. Tatsächlich gelang es mir, die letzten Klippen zu umschiffen und meinen zweiten vollen Punkt zu verbuchen.
Damit war klar, dass ich ganz nach vorne gelost werden würde und so durfte ich in der 8.Runde an Brett 1 gegen den amtierenden Meister Andreas Reuß antreten. Mit meiner Stellung war ich eigentlich immer zufrieden und vielleicht hätte es sogar die eine oder andere aussichtsreichere Fortsetzung gegeben. In Zeitnot stellte ich leider meinen Mehrbauern ein, wonach wir bis wenige Minuten vor Schluss Dame/Läufer-Endspiel übten, dann aber Remis vereinbarten.
Andreas hatte sich bis dahin mit Dimitrij Anistratov weitgehend einen Zweikampf geliefert, lag nun aber trotz des Remis gegen mich mit 6 Punkten aus 8 Partien allein an der Spitze, weil sein Konkurrent gegen Thilo Kabisch in einer aufregenden Zeitnotschlacht den vollen Punkt abgeben musste. Frank Zeller konnte in Runde 6 zwar seinen „Dauerrivalen“ Mathias Holzhäuer bezwingen, verlor darauf aber gegen Anistratov und schied aus dem Titelkampf aus. Nun würde ich den Bericht gern beenden (ist doch auch schon ziemlich lang…), aber leider gibt es ja auch noch eine letzte Runde.
Bislang war ich ausnahmslos gegen nominell (deutlich) stärkere Gegner gekommen und hatte mit 5 Punkten deutlich mehr auf dem Konto, als ich unter diesen Umständen erwartet hätte. Seltsamerweise kam ich jetzt nicht gegen den nächsten Titelanwärter, sondern gegen Raimund Lutzenberger von TG Biberach, der als erster hinter mir gesetzt war (was auch immer das aussagen mag). Er hatte nach schwachem Start mit 1,5/5 ordentlich aufgeholt und u.a. Frank Zeller geschlagen. Leider hatte ich ja am Vortag fast bis zum bitteren Ende gespielt und da die letzte Runde schon vormittags anfing (sonst immer am Nachmittag), war meine Zeit zum Vorbereiten und Ausruhen leider etwas knapp. (Im letzten Satz war ne Ausrede versteckt, wer hat sie gefunden…?) Jedenfalls verlor ich die letzte Partie ziemlich chancenlos und damit auch die Möglichkeit, auf eine Topplatzierung. Bei einem Sieg (der allerdings völlig außer Reichweite war) hätte ich sogar Platz 3 erreicht, der zur Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft berechtigt hätte (weil der Zweitplatzierte Anistratov dort noch nicht spielberechtigt ist). Das ist natürlich etwas schade, andererseits war es dennoch ein tolles Turnier und zwar nicht wirklich deshalb, weil ich optimal gespielt hätte, sondern weil es meistens einfach gut lief. Schließlich war die Gegnerschaft nicht gerade zu verachten, was die zweitbeste Buchholz und der höchste DWZ-Gegnerschnitt zeigen.
Andreas Reuß konnte in der letzten Runde mit einem Kurzremis seinen Titel nach Wertung vor Anistratov verteidigen. Dritter wurde wie im Vorjahr Holger Namyslo. Für mich reichte es am Ende zu Rang 8. Alle weiteren Informationen und natürlich Ergebnisse und Partien gibt es nach wie vor auf der Turnierseite.
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