Wie berichtet durften Jacqueline (Jacky) Kobald (U14w) und Anna Liu (U12w) nach Pfingsten an der Deutschen Jugendmeisterschaft (DJEM) teilnehmen, die wie immer in einem riesigen Event veranstaltet wurde, für das mit Trainern, Eltern über 1.000 Menschen in Willingen/Hessen zusammenkamen. Neben den beiden Mädels spielte Pierre Kobald in einem offenen U25-Begleitturnier mit. Die württembergische Delegation schickte insgesamt 18 Starter in die Altersklassen U10 bis U18. Um es vorweg zu nehmen: Es war für unseren Verband die erfolgreichste Meisterschaft seit langem!
Jacky hatte zwar bereits in der U10 zweimal an der DJEM teilgenommen, inzwischen aber eine dreijährige Durststrecke hinter sich. Entsprechend hoch war die Nervosität vor Beginn, obwohl sie sich als souveräne Württembergische Meisterin qualifiziert hatte und seit rund anderthalb Jahren eine enorme Leistungssteigerung zeigt. Unter den 30 Konkurrentinen war sie an Rang 12 gesetzt. Nominell gab es allerdings drei haushohe Favoritinnen, dahinter rangierten alle recht eng zusammen.
Mit Beginn der 1.Runde legte sich Jackys Nervosität und sie startete mit einem letztlich sicheren Auftaktsieg. Gleich in Runde 2 wartete aber die Titelverteidigerin Lara Schulze, gegen die Jacky nichts ausrichten konnte. Das war natürlich kein Grund für Trübsal und so schlug sie anschließend mit einem überzeugenden Spanisch-Sieg zurück.
Etwas Glück war in Runde 4 dabei. Nach interessanter Eröffnung ließ Jacky einen Zug zu früh die Öffnung der Stellung zu, wonach sie mit Minusbauer im Läuferendspiel landete. Die schwächer bewertete Gegnerin zeigte jedoch keinen Kampfgeist und gab die Partie direkt Remis. In Runde 5 bemühte sich Jacky zwar lange, konnte den gegnerischen Widerstand aber nicht brechen.
Halbzeitstand damit: ordentliche 3 aus 5, etwa im Bereich der Erwartungen.
Extrem verheißungsvoll ging es in die zweite Turnierhälfte. Runde 6 war nach passiver gegnerischer Eröffnungsbehandlung ein Spiel auf ein Tor, welches dann auch fiel. Jackys wahrscheinlich stärkste Partie folgt in der 7.Runde, wenngleich sie nicht gerade spektakulär war. Nach ausgeglichener Eröffnung mit frühem Damentausch hatte sich die nominell favorisierte Gegnerin eine Bauernschwäche eingehandelt, welche Jacky konsequent belagerte, eroberte und schließlich ziemlich überzeugend im Turmendspiel verwertete.
Beim jetzigen Tabellenstand konnte man sich schon kurz die Augen reiben: Mit 5 aus 7 rangierte Jacky auf Platz 5 und zwar punktgleich bzw. in Reichweite der Superstars. Die Belohnung: In Runde 8 durfte sie an Brett 1 gegen die alleinige Führende und Turnierfavoritin Jana Schneider (Bayern) antreten, die mit 14 Jahren bereits eine DWZ von fast 2100 ans Brett bringt!
Im Mittelspiel traf Jacky eine mutige, allerdings zu riskante Entscheidung, als sie freiwillig ihre Rochadestellung aufreißen ließ und auf Angriffschancen über die g-Linie hoffte. Die Favoritin (und spätere Deutsche Meisterin) erstickte diese Versuche aber im Keim und nutzte überzeugend die entstandenen Stellungsschwächen aus. Kein Problem, das ist halt noch ein anderes Niveau.
Leider - allerdings vorhersehbar - wurde Jacky zum Abschluss nochmals hochgelost gegen die erfahrene Madita Mönster (Niedersachsen), die am Ende als Drittplatzierte sogar in die Riege der drei Topfavoritinnen einbrechen konnte. In zwar etwas passiverer, aber solider Mittelspielstellung verrechnete sich Jacky leider bei einer Abwicklung und verlor letztlich zwei entscheidende Bauern.
Nach diesem unglücklichen Abschluss blieb Jacky zwar bei 5 Punkten aus 9 Partien stehen. Dank einer hervorragenden Feinwertung - schließlich musste sie gegen alle drei Erstplatzierten antreten - landete sich letzlich aber auf dem ganz hervorragenden 7.Platz, der durchaus eine kräftige Überraschung darstellt.
Wenn ihre Entwicklung so weiter geht, war das sicherlich nicht Jackys letzte DJEM. Dieser Vorstoß in die (erweiterte) Spitzengruppe sorgt bestimmt für die nötige Motivation!
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Anna war im letzten Jahr in der U10 erstmals bei der DJEM, musste dort allerdings noch Lehrgeld bezahlen. Daher schien es interessant, wie sie sich nun in der höheren Altersklasse schlägt, wobei in diesem Jahr zum ersten Mal schon bei den Jüngsten Jungs und Mädchen getrennt spielten. Hier traten 40 Mädchen an, wobei Anna auf Rang 20 gesetzt war.
Auch Anna musste nach sicherem Auftaktsieg direkt gegen eine Topfavoritin, nämlich die fünftgesetzte Sophia Brunner (Niedersachsen) antreten, die schon im letzten Jahr Vierte geworden war. Anna kam aber hervorragend in die Partie und erreichte eine Stellung, in der ihre Gegnerin kaum aktive Möglichkeiten hatte. Anstatt langsam den Druck zu erhöhen, vereinfachte Anna zu früh die Stellung und räumte ihrer Gegnerin dadurch neue Freiräume ein, die diese entscheidend nutzte.
Nach einer weiteren vermeidbaren Niederlage und zwei Siegen bekam Anna in Runde 6 mit der am Ende Viertplatzierten Eva Rudolph (NRW) wieder ein schachliches Schwergewicht vorgesetzt. Gleichwohl verlief auch diese Partie ziemlich offen, bis Anna leider nach einer Abwicklung mit der falschen Figur zurückschlug und so Material verlor, anstatt eine völlig ausgeglichene Stellung zu erhalten.
Nach 6 von 11 Runden lag Anna somit genau bei 50%, also ebenfalls im Bereich der Erwartungen.
Leider ging der Start in die zweite Turnierhälfte bei Anna schief. In einer komplizierten Kampfpartie stellte sie relativ simpel eine Figur ein. Dafür erreichte sie in Runde 8 nach zunächst wiederum guter Partie eine klare Gewinnstellung, was aber offenbar ihre Aufmerksamkeit senkte. Denn aus heiterem Himmel lief Anna in eine Läufergabel, die einen kompletten Turm kostete. Bezeichnenderweise reichte die Stellung trotzdem noch zum Remis.
Dieser Zwischenstand war aber etwas ärgerlich, denn Anna hatte eigentlich durchweg - auch gegen die beiden Topgegnerinnen - gute Partien und Stellungen erspielt, sich aber viel zu oft durch kurzfristige Nachlässigkeiten um den Lohn gebracht.
In Runde 9 folgte prompt eine blitzsaubere Partie von Anfang bis Ende. Mit einem taktischen Trick gewann Anna im Mittelspiel einen Bauern und verwertete diesen zielstrebig im Endspiel, wobei sie diesmal betont aufmerksam jedes Gegenspiel vermied.
Nach einem schnellen Eröffnungssieg in der Vorschlussrunde spielte sich Anna wieder in die vordere Hälfte. Und während man im letzten Jahr noch den Eindruck hatte, dass ihr gegen Ende des 11-rundigen Turniers die Kräfte schwanden, sah es diesmal ganz anders aus. Zum Abschluss zeigte Anna eine ganz feine und sehr beeindruckende positionelle Leistung. Im Mittelspiel sicherte sie sich gekonnt den besseren Läufer und besetzte mit den Türmen die einzige offene Linie.Zwar konnte die Gegnerin letztlich alle Schwerfiguren vom Brett nehmen, musste dafür aber in ein sehr schlechtes Läuferendspiel. Das führte Anna überzeugend zum Sieg, inklusive Abwicklung ins Bauernendspiel zum richtigen Zeitpunkt.
Somit hatte Anna gerade noch rechtzeitig ihre volle Konzentration wiederhergestellt und nach diesem tollen Schlussspurt starke und absolut verdiente 6,5 Punkte aus den 11 Partien eingesammelt, was ihr den 13.Platz einbrachte. Man darf sich durchaus fragen, was möglich wäre, wenn sie es schafft, ihre Fehlerquote zu verringern. Immerhin darf sie nächstes Jahr nochmals in derselben Altersklasse antreten.
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Auch Pierre konnte mit seinem Abschneiden im offenen Turnier zufrieden sein, gegen teils deutlich ältere Gegner holte er mit 4,5 aus 9 genau 50%.
Nachdem unsere Teilnehmer also ganz hervorragend abgeschnitten haben, gibt es weitere starke Ergebnisse aus der Württemberger Delegation zu berichten. Unsere Gastspielerin Linda Gaßmann (SC Grunbach) beispielsweise trat von Setzplatz 11 in der U18w an und spielte mit Glück und Erfahrung ihre letzte und erfolgreichste DJEM. Vor der letzten Runde hatte sie sogar noch Titelchancen und war am Ende mit 6 aus 9 nach Feinwertung unglücklich "nur" Vierte, punktgleich mit der Vizemeisterin. Wir sagen herzlichen Glückwunsch!
Alle anderen in den Schatten stellte aber Katrin Leser (SV Weingarten), die sich bislang selbst auf Verbandsebene kaum in den Vordergrund gespielt hatte, nun aber offensichtlich ihren Durchbruch feierte. Nachdem Katrin in diesem Jahr überlegen Württembergische Meisterin U16w wurde (und dabei in einem Gesamtturnier mit U14w bis U18w nur ein einzige Remis gegen Jacky abgab!), trat sie nun zum ersten Mal überhaupt bei einer Deutschen Meisterschaft an.
Mit einer unglaublichen Unbekümmertheit und Nervenstärke gewann Katrin (Setzplatz 6) in der durchaus stark besetzten Gruppe Partie um Partie, wobei möglicherweise Runde 3 die Initialzündung war. Darin konterte sie die haushohe Turnierfavoritin und Jugend-Nationalspielerin Fiona Sieber (Sachsen-Anhalt) aus und übernahm bis zum Ende die Spitze.
Katrin verlor nur einmal in Runde 6 und wurde so mit 8 aus 9 gleich beim ersten Auftritt Deutsche Meisterin! Sicherlich eine der größten Überraschungen der letzten Jahre und für Württemberg der erste Deutsche Meistertitel seit 2003 (kein Schreibfehler, damals Arik Braun...).
Runde 8: Jacky mit Weiß gegen die neue Deutsche Meisterin Jana Schneider
Anna bei der Autogrammstunde mit den Großmeistern Jan Gustafsson und Ilja Zaragatski
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